Unser Sommer in Georgia
was zehrt dann so an ihr? Die Jahre mit den regelmäßigen Martinis? Dass sie Daddy vermisst? Oder die Langeweile?«
»Woher sollst du das auch wissen? Du warst ja nicht hier.«
»Ich glaube, daran brauchst du mich nicht noch mal zu erinnern. Ihr habt mir das alle hinreichend verklickert. Warum verkauft ihr diesen verdammten Laden nicht einfach? Dann könnte ich wieder in mein eigenes Leben zurückkehren.«
»Der Laden ist alles, was wir haben - Mama, Brayden und ich.«
»Wie traurig!«
Rileys Stimme wurde eisig. »Hast du jemals an das große Ganze gedacht? An etwas anderes als an dich und den Kerl, den du dir als Nächstes angeln willst? Wenn wir die Buchhandlung schließen müssen, stehen Ethel und Anne auf der Straße und die Stadt verliert viel mehr als einfach bloß ein Geschäft.«
»Palmetto Beach?«
»Ja, Palmetto Beach. Weißt du, wie viele Leute sich hier treffen? Wie viele Veranstaltungen wir organisieren? Wie viele Frauen hier Trost finden? Wie viel Gutes hier getan wird?« Riley schüttelte den Kopf. »Manchmal kommt es mir vor, als würde ich dich überhaupt nicht kennen. Seit wann bist du so selbstbezogen?«
»Wenn ich selbstbezogen bin, liegt das vielleicht daran, dass ich nicht so werden will wie du - ich will nicht mein Leben opfern, um Mama glücklich zu machen. Du machst hier Sklavenarbeit, nur um Mamas endlose Forderungen zu erfüllen.«
Rileys Ärger wuchs zu einem Zorn an, wie sie ihn seit Jahren nicht verspürt hatte. »Du hast nicht die geringste Ahnung, wovon du eigentlich redest. Du bist so blind, Maisy, du siehst nicht mal all das Gute, was Mama für diese Stadt und für mich getan hat. Du beschwerst dich, weil du uns ein paar Tage deiner Zeit widmen sollst, aber du hast keine Ahnung, welches Opfer Mama bringt. Wach auf, Maisy! Du bist nicht der Mittelpunkt der Welt. Du bist so wütend, dass du nicht mal erkennst, dass Mama stirbt - dass es ausnahmsweise mal nicht um dich geht.«
Fluchtartig verließ Riley das Büro und knallte die Tür hinter sich zu. Sie konnte Maisys Reaktion auf ihre harten Worte nicht mit ansehen, konnte nicht glauben, dass sie ihr Versprechen ihrer Mutter gegenüber gebrochen hatte.
In weiter Ferne rief jemand ihren Namen. Riley wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Laden zu. Eine Kundin schwenkte ein großes Buch. »Hallo? Riley?«
Riley brachte ein mattes Lächeln zustande, flüsterte Ethel zu, Anne solle ihr bitte einen Caffè Latte bringen und ging dann zu der älteren Dame hinüber. »Guten Tag, Mrs Harper, wie geht's Ihnen denn?« Sie bebte innerlich noch nach diesem ungewohnten Wutausbruch. Die zitternden Hände hielt sie hinter den Rücken, um sie zu beruhigen.
»Ich überlege, diesen Sommer nach Italien zu reisen. Würden Sie sagen, dass dieses Buch hier zur Vorbereitung das beste ist?«
Riley betrachtete das Buch. Mrs Harper würde sich niemals über die Stadtgrenzen von Palmetto Beach hinausbewegen und schon gar nicht nach Italien fliegen. In den vergangenen fünf Jahren hatte sie mehr als fünfzehn Reiseführer gekauft, es aber nicht einmal geschafft, die Stadt zu verlassen, um ihre Enkelin zu besuchen, die eine Autostunde weit weg wohnte. Riley spürte, wie Mitgefühl für diese Frau in ihr aufwallte.
»Mrs Harper«, sagte sie, obwohl sie einen Kloß in der Kehle hatte, »das haben Sie hervorragend ausgesucht. Setzen Sie sich doch hier in diesen neuen Sessel, und blättern Sie das Buch in aller Ruhe durch! Wenn Sie dann noch Interesse daran haben, verkaufe ich es Ihnen gern. Lassen Sie sich Zeit!«
»Ja, meinen Sie?« Die nachgezogenen Augenbrauen der älteren Dame hoben sich über den Brillenrand.
»Ja, natürlich.« Riley klopfte auf das Kissen. »Vielleicht sind Sie sogar die Erste, die hier sitzt.«
Mrs Harper sank in den Sessel, und als sie mit einem Lächeln aufblickte, musste Riley sich abwenden aus Angst, dass ihre Kundin die Tränen in ihren Augen sehen könnte. Als sie wieder an die Ladentheke kam, blinzelte Adalee sie an.
»Alles klar mit dir?«
Riley nickte. »Ich bin wohl einfach erschöpft. Die liebe alte Mrs Harper rührt mich zu Tränen.«
»Warum?« Adalee schaute Riley über die Schulter.
»Sie kauft seit fünf Jahren Reiseführer, aber seit ihr Mann tot ist, hat sie die Stadt nicht mehr verlassen. Ich weiß nicht, warum, aber heute geht mir das richtig ans Herz.«
»Darum nämlich« - Adalee kam näher heran - »weil sie dich möglicherweise an eine Frau erinnert, die Bücher über das Leben anderer Frauen
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