Unser Sommer in Georgia
von Erinnerungen an vergangene Sommer.
Dreiundzwanzig
Maisy
Als die Lesungen vorbei waren und auch der letzte Gast sich verabschiedet hatte, stellte Maisy die Klappstühle wieder an die Wand. Riley hatte sich schon nach oben zurückgezogen, und Maisy schaute sich nach Mack um - sie hatte ihn gefragt, ob er sich nach der Veranstaltung noch mit ihr treffen würde. In den letzten beiden Tagen war er verschwunden gewesen, er hatte alte Freunde wiedergesehen, war angeln gegangen und hatte mit seinem Vater Unternehmungen gemacht. Maisy verspürte wieder das gleiche verzweifelte Verlangen nach ihm wie damals am Abend des großen Feuers. Vor Nervosität fing ihr Magen an zu tanzen.
Adalee klappte geräuschvoll einen Stuhl zusammen. »Wen suchst du denn?«
»Wie meinst du das?« Mit zusammengekniffenen Augen schaute Maisy ihre Schwester an.
»Du hast dich erst ungefähr zweihundert Mal zum Café umgedreht und bist mit den Gedanken überhaupt nicht bei der Sache.«
Als die Fliegengittertür zuschlug, fuhren die Schwestern herum. Durch die Hintertür kam Mack herein.
»Ich bin hier!«, rief Maisy.
»Aha«, sagte Adalee grinsend, »kapiert. Zieh nur los! Ich mache hier alles fertig. Ich bin dir noch einen Gefallen schuldig.«
»Danke, Schwesterchen.« Während Maisy auf Mack zuging, faltete sie eine Tischdecke ordentlich zusammen, so wie ihre Mutter es ihr beigebracht hatte.
Die Musik lief noch, und gerade sang Alison Krauss Stay.
»Ich liebe diesen Song«, stellte Maisy fest.
»Ja, Alison kann einem das Herz brechen, nicht?«
Maisy nickte.
Mack lächelte sie an. »Bist du für heute mit deiner Arbeit fertig?«
Wieder nickte Maisy. So hatte sie es sich gewünscht.
Maisy erschien es, als würde der kurze Spaziergang vom Driftwood Cottage an den Strand die lange Zeit auslöschen, die zwischen der Gegenwart und dem Sommer vor Macks Verschwinden lag. Ihr war, als könne das große Feuer noch brennen und als stände sie noch, bebend vor Erwartung, beim Häuschen der Rettungsschwimmer.
Mit den Schuhen in der Hand stand sie schweigend neben Mack am Wasser. Der Vollmond warf einen leuchtenden Pfad über das Meer. Alles schien möglich zu sein in diesem Moment, und Maisy suchte nach den besten Worten.
Mack schaute über die Wellen. »Als würde die Zeit hier stillstehen.«
Maisy konnte nicht sprechen, sie nickte bloß.
»Als wären wir alle wieder Teenager und hätten noch alle Möglichkeiten der Welt.«
»Ja«, flüsterte Maisy. Sie verlagerte ihr Gewicht auf dem Sandboden, sodass ihr Oberarm Macks Arm streifte.
Er zog seinen Arm fort. Diese Zurückweisung gab ihr einen Stich, doch dann legte Mack ihr den Arm um die Schultern und zog sie dichter an seine Seite. Weit draußen tutete ein Nebelhorn. Gelächter von einer Strandparty hallte zu ihnen herüber. Maisy lehnte sich an seine Schulter.
»Ich habe mir das hier so oft vorgestellt«, sagte sie.
»Was hast du dir vorgestellt?«
»Dich ... und mich. Hier.«
Mack wandte sich ihr zu, legte ihr die Hände auf die Schultern und schaute sie so lange an, dass sie dachte, er erwarte vielleicht, dass sie etwas sagte oder tat. Doch sie wartete ... wartete auf seinen Kuss. Stattdessen ließ er sie los und verzog das Gesicht. »Sorry, mein Handy.« Er zog es aus der Gesäßtasche.
Maisy war verwirrt. »Mack?«
Er schaute auf das Display, dann sah er sie wieder an. »Von Dad.«
»Was?«
»Eine SMS aus dem Krankenhaus. Da ist irgendwas passiert. Ich muss hin ...«
»Ich fahre mit.« Maisy wollte nach Macks Hand greifen, doch er zog sie fort.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, das brauchst du nicht. Ich rufe morgen im Buchladen an und sage euch Bescheid, was los ist ...« Ohne ein weiteres Wort stürzte er davon.
Tief im Herzen begriff Maisy auf einmal: Mack wollte sie nicht bei sich haben. Er hatte ihr seine Hand entzogen, als hätte sie ihn zu lange festgehalten.
Vielleicht hatte sie ihn und die Erinnerung an ihn wirklich zu lange festgehalten.
Maisy schaute auf ihre leere Hand, die bleich im Mondlicht schimmerte. Eine leichte Brise vom Meer hob ihr Haar. Wieder einmal waren Einsamkeit und Isolation ihre einzigen Gefährten. Wieder einmal war sie die Dumme gewesen - sie hatte zu sehr festgehalten, hatte zu schnell ihre Gefühle gezeigt, hatte zu viel gefordert.
Sie setzte sich in den nassen Sand, spürte, wie die Feuchtigkeit durch ihren dünnen Rock drang. Kummer überwältigte sie - um Sheppard, der vielleicht todkrank war; um Mack, der bald seinen Vater
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