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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Umrisse von drei Männern, die sich in Abständen um die Kirche postiert hatten. Sie waren fünfzig Meter auseinander und etwa achtzig Meter von mir entfernt. Jeder stand wie ein Wachtposten auf halber Höhe seines Hügels. Dann machte der Mann in der Mitte einen Schritt nach vorn, und seine Kameraden links und rechts taten es ihm nach.
    Ich sah zu meinem Haus. Im Licht der Eingangstür sah ich einen vierten Mann neben meinem Wagen stehen. Diesmal geriet ich nicht in Panik. Ich rannte keine Treppe nach oben, ich vergaß keine Telefonnummern. Panik gehörte, wie meine Rückenschmerzen, der Vergangenheit an. Ein flüchtiger Blick auf das Chaos von Papieren auf dem Fußboden, auf meinen Tisch, auf das improvisierte, jetzt zerwühlte Archiv, auf die Schultruhe aus der die Akten quollen. Ich widerstand dem lächerlichen Drang, das alles aufzuräumen, und griff mir nur rasch ein paar unentbehrliche Dokumente.
    Bairstows Aktenkoffer, sein Fluchtgepäck, stand offen neben der Tür. Ich stopfte die Dokumente hinein, dazu etwas Ersatzmunition, und schob mir die 38er in den Hosenbund. Dabei erinnerte ich mich instinktiv an Zorins Brief, den ich noch in der Tasche hatte. Ich wühlte noch einmal in der Truhe herum, bis ich auf einen mit »Peter« beschrifteten Ordner stieß. Ich nahm den Bogen mit Zorins Personalien heraus und steckte ihn zu den unentbehrlichen Dokumenten in den Aktenkoffer. Ich machte das Licht aus und warf einen letzten Blick nach draußen. Die Männer rückten auf die Kapelle vor. Die Aktentasche in der Hand, tastete ich mich die Wendeltreppe hinunter in die Sakristei. Ich schloß den Soutanenschrank hinter mir, ergriff eine Schachtel Streichhölzer und trat in die Kirche.
    Ich hatte Vorsprung. Vom Mondlicht unterstützt, schloß ich die Südtür auf und lief dann zur Kanzel, die im normannischen Stil und mit schönen Schnitzereien verziert ist. Ich erklomm die vier knarrenden Holzstufen und stellte die Aktentasche hinter die Verkleidung, dorthin, wo normalerweise die Füße des Predigers stehen würden. Ich ging zum Altar und zündete die Kerzen an. Ruhig. Nicht zittern. Ich wählte eine Bank an der Nordseite, kniete nieder, legte die Hände vors Gesicht und begann, mangels einer genaueren Definition dessen, was in meinem Kopf vorging, um meine Erlösung zu beten, wenn auch nur, damit ich Emma und Larry von ihrem Wahnsinn erlösen könnte.
    Wenig später vernahm ich das heisere Knarren, mit dem die Südtür von außen geöffnet wurde; dann das Quietschen der Angeln, die ich mit Bedacht nie geölt hatte, da es für jeden, der in dem Turmversteck beschäftigt war, ein ausgezeichnetes Frühwarnsystem darstellte. Und nach dem Quietschen hörte ich ein Paar Füße – nasse Stiefel, Gummisohlen –, die ein paar Schritte näher kamen und wieder stehenblieben, dann durch den Gang auf mich zuplatschten.
    * **
    Es gibt beim Beten sogar unter solchen Umständen so etwas wie ein Protokoll, und auch daran muß ich gedacht haben. Nur weil jemand um zwei Uhr morgens bei einem in die Privatkirche eindringt, fragt man ihn noch lange nicht, was zum Teufel er hier zu suchen habe. Man verhält sich aber auch nicht so, als habe die Andacht einen stocktaub gemacht. Ich hielt es für das beste, meinen wie neugeborenen Rücken unwillig hin und her zu bewegen, die Schultern hochzuziehen und das Gesicht noch tiefer in die Hände zu graben, um anzudeuten, daß ich mich angesichts solch rüpelhaften Benehmens nun erst recht ins Gebet zu vertiefen trachtete.
    Aber derlei Finessen machten auf den Störenfried keinerlei Eindruck, denn gleich darauf sackte links von mir ein schwerer Körper unsanft auf die Kniebank, zwei Ellbogen im Regenmantel plumpsten dicht neben meinen auf die Armstütze, Munslow wandte mir sein brutales Gesicht zu und sah mich aus nächster Nähe finster an.
    »Was soll das, Cranmer? Plötzlich unter die Betschwestern gegangen?«
    Ich lehnte mich zurück. Ich stieß einen Seufzer aus. Ich fuhr mir mit einer Hand über die Augen, als sei ich noch immer in meine Betrachtungen vertieft.
    »Um Gottes willen«, flüsterte ich, aber das brachte ihn nur noch mehr in Rage.
    »Kommen Sie mir nicht mit diesem Quatsch. Ich habe in Ihrer Akte nachgesehen. Da steht kein Wort von Gott. Was soll das Theater? Haben Sie hier jemand versteckt? Pettifer? Genosse Tschetschejew? Ihre kleine Freundin Emma, die nirgends zu finden ist? Sechs Stunden sind Sie heute nacht hier schon zugange. So lange schafft’s ja nicht mal der Papst.«
    Ich

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