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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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behielt meinen müden, entrückten Tonfall bei. »Ich habe über vieles nachzudenken, Andy. Lassen Sie mich in Ruhe. Bitte kein Verhör über meinen Glauben. Das geht Sie und niemanden etwas an.«
    »O doch. Ihre alten Arbeitgeber würden Sie sehr gern über Ihren Glauben und ein paar andere Dinge verhören, die ihnen große Sorgen machen. Beginn morgen elf Uhr, Dauer so lange wie nötig. Bis dahin werden Sie ein paar Hausgäste haben, nur für den Fall, daß Sie auf die Idee kommen sollten, sich aus dem Staub zu machen. Befehl von oben.«
    Er stand auf. Seine Knie waren dicht vor meinem Gesicht, und ich empfand den absurden Drang, sie ihm zu brechen; dabei hatte ich wahrscheinlich längst vergessen, wie das ging. Man hatte uns im Ausbildungslager einen Griff beigebracht, eine Art Tackling wie beim Rugby, wodurch die Beine in die falsche Richtung geknickt werden. Aber ich brach ihm die Beine nicht und unterließ auch den Versuch. Denn dann hätte er vermutlich mir die Beine gebrochen. Statt dessen ließ ich den Kopf sinken, fuhr mir mit der Hand über die Stirn und schloß die Augen.
    »Ich muß mit Ihnen reden, Andy. Muß das endlich loswerden. Wie viele seid ihr?«
    »Vier. Was hat das damit zu tun?« Aber seine Stimme klang gierig und aufgeregt. Zu seinen Füßen sah er den bußfertigen Sünder knien, der ihm bald zu großem Ruhm verhelfen würde.
    »Ich möchte lieber hier mit Ihnen reden«, sagte ich. »Sagen Sie ihnen, sie sollen ins Haus gehen und dort auf uns warten.«
    Noch immer auf den Knien, hörte ich die barschen Kommandos, die er in sein Funkgerät bellte. Ich wartete, bis ich die Bestätigung gehört hatte, dann zog ich den Revolver und rammte ihm den Lauf zwischen die Beine. Ich richtete mich auf, bis unsere Gesichter fast aneinanderstießen. Er hatte ein Mikrofon mit Sender umgeschnallt. Ich griff in seine Jacke und schaltete das Ding aus. Dann kamen einzeln meine Anweisungen.
    »Geben Sie mir Ihre Jacke.«
    Er gehorchte, und ich legte sie auf die Bank. Er hatte die Waffe noch immer zwischen den Beinen, als ich ihm den Sender von der Brust zog und zu der Jacke legte.
    »Hände auf den Kopf. Einen Schritt zurücktreten.«
    Wieder gehorchte er.
    »Umdrehen und zur Tür gehen.«
    Auch das tat er, und dann sah er zu, wie ich mit der freien Hand die Südtür von innen abschloß und den Schlüssel abzog. Dann brachte ich ihn zur Sakristei und schloß ihn dort ein. Die Sakristei hat eine schöne Tür. Der Schlüssel dazu ist genauso großartig wie die anderen Schlüssel meiner Kirche auch, aber im Gegensatz zu den meisten anderen Sakristeien hat diese weder eine Außentür noch irgendwelche Fenster.
    »Wenn Sie schreien, erschieße ich Sie durch die Tür«, sagte ich. Und offenbar hat der Idiot mir geglaubt, denn er blieb still.
    Ich rannte zur Kanzel, zog die Aktentasche aus ihrem Versteck und ging, ohne die Kerzen auf dem Altar zu löschen, durch die Nordtür hinaus, die ich als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme von außen abschloß. Die blassen Pinselstriche eines jungen Morgens zeigten mir den Weg. Ein schmaler Reitpfad führte uneinsehbar an der Mauer des Weingartens entlang zu dem Bauernhaus, wo wir den Wein auf Fässer und Flaschen zogen. Ich lief im Trab. Es roch nach Pilzen. Mit einem der Schlüssel an meiner Kette schloß ich die Doppeltür der Zehntscheune auf. Drinnen stand ein VW-Bus, der Eigentum des Landgutes Honeybrook war und mit dem ich gelegentlich einkaufen fuhr. Seit meinem Rendezvous mit Larry hatte ich darauf geachtet, daß der Tank stets voll war, und hinten drin hatte ich noch einen Reservekanister und einen Koffer mit anständigen Ersatzkleidern, denn auf der Flucht gibt es nichts Schlimmeres, als wenn einem vernünftige Kleider zum Wechseln ausgehen.
    Ich fuhr ohne Licht auf den Feldweg und dort, immer noch ohne Licht, eine Meile bis zur Kreuzung. Ich nahm die alte Mendipstraße, passierte, ohne einmal hinzusehen, den Weiher von Priddy und fuhr zum Flughafen Bristol, wo ich den Wagen auf dem Langzeitparkplatz abstellte und mir auf den Namen Cranmer ein Ticket für den ersten Flug des Tages nach Belfast kaufte. Mit einem überfüllten Pendelbus, in dem erschöpfte walisische Fußballfans mehrstimmig beschauliche Weisen sangen, fuhr ich dann weiter zum Bristoler Bahnhof Temple Meads. Auf dem Bahnhofsvorplatz erlaubte ich mir einen letzten ungläubigen Blick den Hügel hinauf zur Cambridge Street und bestieg dann einen Frühzug nach Paddington. Damit fuhr ich bis Reading, wo ich

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