Unser Spiel
wütend. Die Polizei und andere. Siebenunddreißig Millionen, das ist schließlich kein Betrag, den man einfach so in den Wind schreibt.«
Sie gewährte mir ein leises Lachen.
»Ich finde, der Kaukasus könnte in gewisser Weise gar nicht mal so verkehrt für dich sein. Selbst wenn du mit den anderen Frauen dort sozusagen in einen Topf geworfen wirst und nicht allzuviel von Larry zu sehen bekommst. Vorläufig jedenfalls. Bis die Lage sich geklärt hat.«
»Du meinst, vom praktischen Standpunkt aus betrachtet«, protestierte sie mit leicht erhobener Stimme.
»Der praktische Standpunkt muß ja nicht immer der schlechteste sein. Und wenn’s dich tröstet, wir sitzen im selben Boot.«
» Wie bitte? Unsinn, Tim. Wieso das denn?«
»Na ja, ich bin leider von höchster Stelle in eure Sache mit hineingezogen worden. Man nimmt an, ich sei daran beteiligt. Mit dem Ergebnis, daß ich – nun ja – jetzt auch auf der Flucht bin.«
»Das ist doch absolut lächerlich . Sag ihnen einfach, daß du nicht daran beteiligt bist.« Sie war sauer, daß ich zu den Höhen ihrer gemeinsamen Kriminalität strebte. »Du kannst schrecklich überzeugend sein, wenn du willst. Aber deine Unterschrift steht nicht auf allem. Du bist nicht Larry. Du bist du. So was Absurdes habe ich noch nie gehört.«
»Na ja, auf alle Fälle hielt ich es für besser, ein wenig auf Reisen zu gehen«, sagte ich; aus irgendeinem Grund fühlte ich mich genötigt, an dieser futuristischen Darstellung meiner selbst festzuhalten. »Außerhalb Englands zu bleiben. In sicherer Entfernung. Die Sache abkühlen zu lassen.«
Aber es war bereits klar, daß sie nicht das geringste Interesse an meiner Zukunft hatte.
»Und das Ganze war keine böse Intrige des Kreml, soviel wissen wir inzwischen«, sagte ich leichthin, wie jemand, der entschlossen ist, die Sache von der heiteren Seite zu betrachten. »Ich meine, du und Larry und TT, ihr habt mich irgendwie reingelegt und Honeybrook als sicheres Haus oder so was benutzt. In finsteren Stunden habe ich mir entsetzliche Verschwörungstheorien ausgedacht. Und ich war sehr erleichtert, als die sich als Unsinn herausstellten.«
Sie schüttelte mitleidig den Kopf, und ich wußte, sie war erleichtert, daß ich wieder einmal die Grenzen des Erlaubten überschritten hatte. »Tim. Also ehrlich , Tim. Wirklich .«
Ich war schon an der Tür, ehe sie begriff, daß ich Abschied nahm. Ich überlegte, was ich noch sagen könnte, irgend etwas Nettes – »Ich werde immer für dich dasein, wenn du mich brauchst«, zum Beispiel, oder »Wenn ich ihn finde, grüße ich ihn von dir« –, aber wenn ich überhaupt noch etwas empfand, dann ein Gefühl der Belanglosigkeit, und daher sagte ich nichts. Und Emma am Fenster war offenbar zu dem gleichen Schluß gelangt, denn sie blieb dort stehen und sah hinaus, als erwarte sie, daß Larry jeden Augenblick mit einem seiner Hüte auf dem Kopf am Flußufer auf sie zugeschritten käme.
»Ja. Also auf Wiedersehen«, sagte sie.
* **
Sie können mit Sergej Kontakt aufnehmen , er hilft mir auch diesen Brief abzuschicken , las ich schlaflos im Bett. Rufen Sie ihn an , aber nur auf englisch , unter der Ihnen bekannten Nummer … In Zorins Welt war es klug, einen Sergej zu haben.
Ich wählte die Moskauer Nummer und kam beim sechsten Versuch durch. Eine Männerstimme meldete sich.
»Hier ist Timothy«, sagte ich auf englisch. »Ein Freund von Peter. Ich möchte bitte mit Sergej sprechen.«
»Sie sprechen mit Sergej.«
»Richten Sie Peter bitte aus, daß ich auf dem Weg nach Moskau bin. Sagen Sie ihm, er soll bei einem Freund von mir eine Nachricht hinterlassen. Der Mann heißt Bairstow und wird in wenigen Tagen im Luxor Hotel sein.« Ich buchstabierte Bairstow und sicherheitshalber auch noch Colin.
»Sie werden eine Nachricht erhalten, Mr. Timothy. Bitte rufen Sie unter dieser Nummer nicht noch einmal an.«
* **
In den drei Tagen, die ich auf mein Visum warten mußte, besuchte ich Kunstgalerien, aß in Restaurants, las Zeitungen und achtete auf Verfolger. Aber ich sah und schmeckte nichts. Tagsüber dachte ich mit freundlichen Gefühlen an sie. Sie war ein Mitglied der Familie, eine alte Freundin, eine längst vergebene Unbesonnenheit. Nachts jedoch halluzinierte ich abwechselnd von verstümmelten Leichen und von Emma, die tot in einem Waldteich lag. Blutbefleckte Sägemehlhaufen erhoben sich zu kaukasischen Gebirgsketten rings um mein Bett. Ich verfolgte den Kausalzusammenhang aller Dinge, die mir
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