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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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gekommen sind, Timothy. Tut mir leid, daß die Umstände so ungünstig sind.«
    Er nahm Miss Eugenies Hand und hielt sie kurz fest. Sie hätte ein Kind sein können oder ein alter Mann. Ihre Augen waren geschlossen. Er legte ihr die Hand auf die Brust zurück, schob sie dann aber aus Angst, sie könnte zu schwer darauf lasten, auf das Laken neben ihr.
    »Ist das Ihre Frau?« fragte ich.
    »Sie hätte es werden sollen.«
    Wir sahen uns verlegen an, fanden beide nicht den Anfang. Er hatte gelbe Ringe unter den Augen. Vielleicht sah ich auch nicht besser aus.
    »Sie erinnern sich an Tschetschejew«, sagte er.
    Das Ethos unseres Gewerbes verlangte, daß ich in meinem Gedächtnis kramte.
    »Konstantin. Euer Kulturgeier an der Londoner Botschaft. Warum?«
    Er runzelte unwillig die Stirn und sah nach der Tür. Er sprach englisch, schnell aber mit gedämpfter Stimme. »Kultur war seine Tarnung. Das wissen Sie doch ganz genau. Er war meine Nummer zwei in der Residenz. Er hatte einen Freund. Pettifer, so ein bourgeoiser Linksintellektueller. Ich glaube, den kennen Sie auch.«
    »Flüchtig.«
    »Lassen wir heute mal die Spielchen, Timothy. Zorin hat keine Zeit, Mr. Bairstow hat auch keine. Dieser Pettifer und Tschetschejew haben sich zusammengetan und der russischen Regierung enorme Geldbeträge gestohlen, wobei die Londoner Botschaft als Tarnung benutzt wurde. Sie werden sich erinnern, daß ich den Rang eines Handelsattachés innehatte. Tschetschejew hat meine Unterschrift auf gewissen Dokumenten gefälscht. Die Summe, die sie gestohlen haben, geht über jeden gesunden Verstand. Es könnte um bis zu fünfzig Millionen Pfund gehen. Ist Ihnen das alles bekannt?«
    »Ich habe Gerüchte gehört«, sagte ich und mußte daran denken, daß Zorin mit fünfundfünfzig noch immer das umständliche Englisch der Spionageschule sprach, pedantisch und voller altmodischer Ausdrücke; und daß ich, wenn ich ihm früher in dem sicheren Haus am Shepherd Market zuhörte, mir seine Lehrer als schmächtige alte Fabier mit einer Leidenschaft für Bernhard Shaw vorzustellen pflegte.
    »Meine Regierung braucht einen Sündenbock. Man hat mich dazu auserwählt. Zorin hat mit dem Schwarzarsch Tschetschejew und dem englischen Dissidenten Pettifer konspiriert. Zorin muß der Prozeß gemacht werden. Welche Rolle spielt Ihr ehemaliger Dienst bei der Sache?«
    »Keine.«
    »Ehrenwort?«
    »Ehrenwort.«
    »Sie wissen also von dieser Angelegenheit? Man hat Sie danach gefragt?«
    Tempo und Heftigkeit seiner Fragen und der Ernst, mit dem er sie stellte, veranlaßten mich, jede Vorsicht fahrenzulassen.
    »Ja«, sagte ich.
    »Man hat Ihren Rat gesucht?«
    »Man hat mich verhört und beschuldigt. Man weist mir eine ähnliche Rolle zu wie Ihnen, ich soll Ihr Komplize sein. Sie und ich, wir haben Geheimgespräche geführt, also müssen wir beide Diebe sein.«
    »Geben Sie sich deswegen als Bairstow aus?«
    »Ja.«
    »Wo ist Pettifer?«
    »Vielleicht hier. Wo ist Tschetschejew?«
    »Meine Freunde berichten, er sei verschwunden. Vielleicht ist er in Moskau, vielleicht in den Bergen. Die Idioten haben überall nach ihm gesucht, sie haben einige seiner Landsleute verhaftet. Aber die Inguschen lassen sich nicht so leicht verhören.« Er verzog sein Gesicht zu einem grimmigen Lächeln. »Bis jetzt hat noch keiner eine freiwillige Aussage gemacht. Tschetschejew ist ein kluger Bursche, ich mag ihn, aber im Grunde seines Herzens ist er ein Schwarzarsch, und die Schwarzärsche töten wir wie die Fliegen. Er hat das Geld gestohlen, um seinem Volk zu helfen. Ihr Pettifer hat ihm dabei geholfen – für Geld, für was weiß ich. Vielleicht sogar aus Freundschaft.«
    »Glauben die Idioten das auch?«
    »Aber nein! So idiotisch sind sie nun auch nicht!«
    »Wieso?«
    »Weil sie sich weigern, eine Theorie zu unterstützen, die auf ihrer Unfähigkeit basiert!« erwiderte er, und als jetzt seine aufgestaute Wut losbrach, hatte er Schwierigkeiten, weiter gedämpft zu sprechen. »Wenn Tschetschejew ein inguschischer Patriot war, hätte man ihn niemals nach London schicken dürfen. Glauben Sie, der Kreml möchte der Welt die nationalen Bestrebungen eines Stammes von Wilden ausposaunen? Glauben Sie, man möchte der verwünschten Bruderschaft der internationalen Banker die Mitteilung machen, daß ein Schwarzarsch einfach so von der russischen Botschaft einen Scheck über fünfzig Millionen Pfund kriegen kann?«
    Eugenie hustete. Er nahm sie behutsam in seine starken Arme, setzte sie auf

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