Unser Spiel
sich an, als solle ich es für die Nachwelt aufschreiben.
In solchen Zeiten versuche ich Larry nicht allzu kritisch zu sehen. Meine Aufgabe ist es, ihn in Sicherheit zu wiegen, seinen Stimmungen entgegenzukommen, ihm Mut zu machen, seine Beleidigungen hinzunehmen und stets mit einem Lächeln zu beantworten.
* **
»Tim?«
»Ja, Emma.«
»Ich muß es wissen.«
»Was immer du willst«, sage ich großzügig und klappe mein Buch zu. Es ist einer ihrer Frauenromane, und ich finde ihn reichlich zäh.
Wir sind im Frühstückszimmer, einem kreisrunden Ziertürmchen, das Onkel Bob auf die Südwestecke des Hauses hat setzen lassen. Die Morgensonne macht einen freundlichen Ort daraus. Emma steht in der Tür. Seit sie allein zu Larrys Vortrag gegangen ist, habe ich sie kaum noch gesehen.
»Das ist alles erlogen, stimmt’s?« sagt sie.
Ich ziehe sie sanft ins Zimmer und schließe die Tür, damit Mrs. Benbow nicht mithören kann. »Was ist erlogen?«
»Du. Dich gibt es gar nicht. Du hast mich mit jemand ins Bett gehen lassen, der gar nicht existiert.«
»Redest du von Larry?«
»Ich rede von dir ! Nicht von Larry. Von dir ! Wie kommst du darauf, daß ich mit Larry ins Bett gegangen bin? Ich rede von dir !«
Weil du’s getan hast, denke ich. Aber jetzt umarmt sie mich, um ihr Gesicht vor mir zu verbergen. Ich blicke nach unten und sehe erstaunt, wie meine Rechte aus eigenem Antrieb agiert und ihr tröstend den Rücken tätschelt, weil ich ihre Geschichte falsch verstanden habe. Und mir kommt der Gedanke, daß man sich, wenn einem auf Gottes weiter Erde nichts anderes Sinnvolles mehr zu tun bleibt, ebensogut die Zeit damit vertreiben kann, jemandem den Rücken zu tätscheln, wie mit irgend etwas anderem. Sie jammert und schluchzt an meiner Brust, sie stöhnt Larry, Tim, und beschuldigt lieber mich als sich, aber zum Glück verliert sich viel von dem, was sie sagt, in meinem Hemd. Ich verstehe so etwas wie Fassade oder vielleicht auch Scharade . Und dann noch ein Wort, das wie Märchen klingt.
Unterdessen denke ich angestrengt darüber nach, wer wohl letztlich die Schuld an dieser und ähnlichen Szenen trägt. Denn in der Welt, in der Larry und ich aufgewachsen sind, wäre es vollkommen falsch anzunehmen, daß nur, weil die rechte Hand gerade Trost spendet, die linke nicht gleichzeitig eigene heimliche Aktivitäten in Erwägung zieht.
* **
Und dennoch kann sie mich nicht verlassen. Manchmal kommt sie mitten in der Nacht wie ein Dieb in mein Zimmer geschlichen und schläft mit mir, ohne ein Wort zu sagen. Und ehe der Morgen sie ertappt, schleicht sie wieder weg und läßt ein naßgeweintes Kopfkissen zurück. Eine Woche vergeht, wir leben in unseren getrennten Räumen und nicken uns kaum noch zu. Das einzige Geräusch von ihrer Seite des Hauses ist das Klappern ihrer Schreibmaschine: Lieber Freund, Lieber Unterstützer, Lieber Gott, hol mich hier raus, aber wie? Sie telefoniert, aber ich habe keine Ahnung, mit wem, kann es mir aber denken. Gelegentlich ruft Larry an, und wenn ich den Hörer abnehme, bin ich die Freundlichkeit in Person; er ist es auch, so ziemt es sich schließlich auch für verfeindete Spione.
»Hallo, Timbo. Was treibst du so?«
Wenn hier einer was treibt, dann ist er es, denke ich. Aber was soll’s, schließlich sind wir doch so gute Freunde.
»Mir geht’s prima, danke. Sehr gut. Ist für dich, Liebling. Die Einsatzzentrale«, sage ich und stelle den Anruf zu ihr durch.
Am nächsten Tag lasse ich meinen Anschluß sperren, aber noch immer weiß sie nicht, ob sie gehen oder bleiben soll.
»Nur zu meiner Information, woran erkenne ich, daß du mich verlassen hast?« frage ich sie eines Abends, als wir uns wie zwei Gespenster auf dem Gang zwischen unseren Haushälften begegnen.
»Wenn der Klavierhocker nicht mehr da ist«, erwidert sie.
Sie meint den rückenfreundlichen Klappstuhl, den sie am Tag ihres Einzugs mitgebracht hatte. Ein befreundeter schwedischer Osteopath hatte ihn für sie angefertigt – wie befreundet, kann ich nur vermuten.
»Und du bekommst den Schmuck zurück«, fügt sie hinzu.
Und ich sehe einen Ausdruck wütender Panik auf ihrem Gesicht, als habe sie sich versprochen und verfluche sich jetzt selbst dafür.
Sie meint die stetig wachsende Sammlung kostspieliger Schmuckstücke, die ich ihr bei Mr. Appleby in Wells zusammengekauft habe, um Lücken in unserer Beziehung auszufüllen, die sich nicht ausfüllen lassen.
Der nächste Tag ist ein Sonntag, und da verlangt es
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