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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Berkeley Square hatte es eine solche Stelle nicht gegeben. Im Vorzimmer standen Möbel aus künstlichem Rosenholz. Am Berkeley Square hatten wir mehr für Chintz geschwärmt. Ein Hinweisschild: KNOPF DRÜCKEN, GRÜN ABWARTEN. Munslow sah auf seine Tiefseetaucheruhr und murmelte: »Bißchen früh.« Wir setzten uns, ohne den Knopf gedrückt zu haben.
    »Ich dachte, Merriman hätte was mit der Oberen Etage arrangiert«, sagte ich.
    »Na ja, das ist so. Jake wollte Sie erst mal direkt an die Leute verweisen, die sich mit dieser Sache befassen, Tim, und dann irgendwie erst später zu Ihnen stoßen.«
    »Was für eine Sache?«
    »Na, Sie wissen schon. Ex-Sowjetunion. Neue Ära.«
    Ich fragte mich, was an einem verschwundenen ehemaligen Agenten eine neue Ära sein sollte.
    »Und was bedeutet IS? Inquisitions-Stelle? Immanente Suspendierungen?«
    »Das sollten Sie lieber Marjorie fragen, Tim.«
    »Marjorie?«
    »Ich kann nicht alles wissen, muß ich noch deutlicher werden?« Er strahlte scheinheilig. »He, toll Sie zu sehen. Echt super. Keinen Tag älter geworden.«
    »Sie auch, Andy. Sie haben sich kein bißchen verändert.«
    »Wenn ich jetzt bitte den Ausweis haben könnte, Tim.«
    Ich gab ihn ihm. Die Zeit verging.
    »Wie läuft es denn heutzutage so in der Firma?« fragte ich.
    »Tim, rundum großartig. Toller Arbeitsplatz. Immer was los.«
    »Freut mich.«
    »Und Sie sind unter die Winzer gegangen, Tim. Richtig?«
    »Ich presse ein paar Trauben aus.«
    »Toll. Fabelhaft. Man sagt ja, der britische Wein soll echt im Kommen sein.«
    »Sagt man das? Das ist ja wirklich nett. Nur gibt es so etwas leider gar nicht. Es gibt englischen Wein. Es gibt walisischen Wein. Meiner ist ein mittelmäßiger englischer, aber wir arbeiten daran, ihn zu verbessern.«
    Er wirkte vollkommen gleichgültig, und das erinnerte mich an seine Dickfelligkeit.
    »He, wie geht’s Diana? Königin der Sicherheitsüberprüfung, wie sie früher genannt wurde. Heute noch. Ein großes Kompliment.«
    »Danke, gut, hoffe ich, Andy. Aber wir sind seit sieben Jahren geschieden.«
    »Ach nein, das tut mir aber leid.«
    »Nicht doch. Mir tut es nicht leid. Diana auch nicht.«
    Er drückte den Knopf und setzte sich wieder, während wir Grün abwarteten.
    »He, was macht eigentlich Ihr Rücken?« formulierte er den nächsten Geistesblitz.
    »Danke, daß Sie danach fragen, Andy. Keinen Mucks mehr, seit ich aus dem Service bin, wie ich mit Stolz vermelden kann.«
    Das war gelogen, aber Munslow war einer von diesen Leuten, mit denen man die Wahrheit nicht teilen möchte, deshalb hatte ich ihn auch nicht in meiner Abteilung haben wollen.
    ***
    Pew, sagte sie. Marjorie Pew.
    Ihr Händedruck war gut, ihr Blick offen: graugrüne Augen, ein wenig verträumt. Das Gesicht matt gepudert, durchscheinend. Sie trug breitschultriges Marineblau mit einem weißen Kragen, der mich immer an Rechtsanwältinnen denken läßt, und um den Hals eine goldene Uhrkette, die vermutlich ihrem Vater gehört hatte. Sie hatte eine jugendliche Figur und eine sehr englische Haltung. Als sie mir die Hand hinhielt, verbeugte sie sich aus der Hüfte und winkelte den Ellbogen ab, was auf ein Mädchen vom Land und Internatserziehung schließen ließ. Ihr braunes Haar war männlich kurz geschoren.
    »Tim«, sagte sie. »Alle nennen Sie Tim, also werde ich es auch tun. Ich bin Marjorie, mit i-e. Marge nennt mich niemand .«
    Jedenfalls nicht zweimal, dachte ich und nahm Platz.
    Keine Ringe an den Fingern, stellte ich fest. Keine gerahmten Fotos vom Gatten, der dem Spaniel die Ohren zaust. Keine Zehnjährigen mit Zahnlücken beim Zelturlaub in der Toskana. Ob ich Tee oder Kaffee möchte? Kaffee, bitte, Marjorie. Sie nahm einen Hörer ab und gab die Bestellung durch. Sie war es gewöhnt, Befehle zu geben. Kein Papier, Schreibzeug, Spielsachen, kein Kassettenrecorder. Jedenfalls war keiner zu sehen.
    »Also, fangen wir ganz von vorne an?« schlug sie vor.
    »Warum nicht?« sagte ich ebenso freundlich.
    Sie hörte mir zu, wie Emma, wenn sie Musik hört: reglos, gelegentlich ein Lächeln, ein Runzeln der Stirn, aber nie an den Stellen, wo ich es erwartet hätte. Sie besaß die kluge Überlegenheit einer Psychiaterin. Ohne Notizen zu machen, wartete sie mit ihrer ersten Frage, bis ich fertig war. Ich erzählte flüssig. Ein Teil von mir hatte für diesen Auftritt den ganzen Tag lang geübt, wahrscheinlich auch die ganze Nacht. Das Erscheinen eines halb vergessenen Kollegen brachte mich nicht aus dem

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