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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Konzept. Die Tür ging auf – eine andere als die, durch die ich hineingekommen war –, ein gutgekleideter Mann stellte ein Kaffeetablett zwischen uns ab, zwinkerte mir zu und sagte, Take werde in einer Minute dasein, das Außenministerium sei in heller Aufregung. Freudig überrascht erkannte ich Barney Waldon, den wichtigsten Verbindungsmann der Firma zur Polizei. Wenn man einen Einbruch organisierte, eine kleine Entführung plante oder die eigene Tochter geschnappt worden war, als sie, bis zum Stehkragen mit Drogen vollgepumpt, um drei Uhr nachts mit ihrem frisierten Mini über die M25 raste, dann sorgte Barney dafür, daß das Gesetz auf unserer Seite war. In seiner Gegenwart fühlte ich mich ein wenig sicherer.
    Marjorie hatte die Hände sittsam unterm Kinn gefaltet. Während ich sprach, beobachtete sie mich mit frommer Besorgnis, die mich äußerst wachsam machte. Ich vermied jede Erwähnung Emmas, ich spielte die Änderung meiner Telefonnummer herunter – vage Andeutungen über fehlgeleitete Computeranrufe, die einem das Leben zur Hölle machen –, räumte aber ein, die Aussicht, von Larrys betrunkenen nächtlichen Anrufen verschont zu werden, sei mir dabei recht willkommen gewesen. Ich machte einen wehmütigen Scherz daraus: Jeder, sagte ich, der die Last einer Freundschaft mit Larry auf sich nehme, werde im Handumdrehen zum Fachmann in der Kunst des Selbstschutzes. Was mir ein dünnes Lächeln von ihr einbrachte. Vielleicht hätte ich der Polizei gegenüber aufrichtiger sein sollen, sagte ich, aber ich hätte den Eindruck vermeiden wollen, daß Larry und ich gut befreundet seien; sie hätten daraus nur die falschen Schlüsse gezogen – beziehungsweise die richtigen.
    Dann lehnte ich mich auf meinem Stuhl zurück, um anzudeuten, daß ich ihr die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit gesagt hatte. Ich wechselte einen freundlichen Blick mit Barney.
    »Üble Sache«, sagte er.
    »Etwas übertrieben«, stimmte ich zu. »Aber typisch Larry.«
    »Allerdings.«
    Dann sahen wir beide Marjorie mit i-e an, die noch nichts gesagt hatte. Sie starrte eine Stelle auf ihrem Schreibtisch an, als habe sie dort etwas zu lesen entdeckt. Hatte sie aber nicht. Links und rechts hinter ihr bemerkte ich zwei Türen. Mir kam der Gedanke, das hier sei gar nicht ihr Zimmer, sondern irgendein Vorzimmer, und das wahre Leben finde anderswo statt. Ich hatte das Gefühl, wir würden abgehört. Aber dieses Gefühl hat man in der Firma sowieso.
    »Entschuldigen Sie, Tim. Ist es Ihnen nicht in den Sinn gekommen, die Polizei zu bitten, später noch einmal wiederzukommen, und uns unverzüglich anzurufen? Anstatt sie einfach hereinzulassen?« fragte sie, noch immer den Schreibtisch studierend.
    »Ich hatte die Wahl – wie in jeder operativen Situation«, erklärte ich, vielleicht ein wenig herablassend. »Ich hätte sie fortjagen und Sie anrufen können; dann wären bei Ihnen die Alarmglocken losgegangen. Oder die Sache als etwas Normales auffassen. Bloß eine normale polizeiliche Befragung über einen normalen vermißten Freund. Und dafür habe ich mich entschieden.«
    Zufrieden griff sie meinen Standpunkt auf. »Und im übrigen war es doch wohl normal, oder? Könnte es noch immer sein. Wie Sie sagen: Larry hat nichts getan, außer daß er verschwunden ist.«
    »Nun ja, da war immerhin dieser Hinweis auf Tschetschejew«, erinnerte ich sie. »Die Beschreibung der Vermieterin von Larrys ausländischem Besucher hat haargenau auf ihn gepaßt.«
    Bei der Erwähnung von TT hob sie den grüngrauen Blick und sah mich abweisend an.
    »Tatsächlich?« fragte sie eher sich selbst als mich. »Erzählen Sie mir etwas über ihn.«
    »Über Tschetschejew?«
    »Ist er nicht Georgier oder so was?«
    Ach Larry, dachte ich, wenn du jetzt bei uns wärst.
    »Nein, ich fürchte, er war genau das Gegenteil. Kam aus dem Nordkaukasus.«
    »Also Tschetschene«, sagte sie auf diese dogmatische Art, auf die ich mich inzwischen bei ihr eingestellt hatte.
    »Na ja, fast, aber nicht ganz«, sagte ich freundlich, obwohl ich nicht übel Lust hatte, sie aufzufordern, mal einen Blick auf die Landkarte zu werfen. »Er ist Ingusche. Aus Inguschien. Gleich neben Tschetschenien, aber kleiner. Tschetschenien auf der einen Seite, Nord-Ossetien auf der anderen. Inguschien in der Mitte.«
    »Verstehe«, sagte sie mit demselben leeren Blick wie zuvor.
    »Für den KGB war Tschetschejew ein Ausnahmefall. Russen aus den alten moslemischen Minderheiten haben in der Regel keine

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