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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Außenpolitik.
    »Larry hat uns zu seiner Gedenkrede an der Universität eingeladen«, antwortet sie und gibt mir durch den Tonfall zu verstehen, daß sie übernatürliche Geduld mit mir hat. »Er hat uns zwei Eintrittskarten gegeben und will uns hinterher zu einem Curry einladen.«
    Aber ich bin zu sehr unter Druck, zu wachsam, zu wütend, um jetzt einzuwilligen. »Ich mache mir nichts mehr aus Curry, darauf kann ich verzichten, Emma. Und daß du zwischen uns in der Falle sitzt –«
    »Ja?«
    Ich unterbreche mich rechtzeitig, aber nur noch gerade so. Im Gegensatz zu Larry hasse ich große Worte; das Leben hat mich gelehrt, Gefährliches ungesagt sein zu lassen. Was hat es für einen Sinn, wenn ich ihr sage: Nicht Emma sitzt zwischen mir und Larry in der Falle, sondern Cranmer zwischen seinen beiden Geschöpfen? Ich möchte es ihr ins Gesicht schreien: daß sie, wenn sie Beispiele für ungebührliche Beeinflussung sucht, sich nur einmal anzusehen braucht, wie Larry sie manipuliert; wie er sie durch wöchentliche und jetzt tägliche Appelle an ihr unendlich empfängliches Gewissen gnadenlos verführt und gängelt; wie er sie unter dem Deckmantel dieser sogenannten hoffnungslosen Fälle, für die er sich immer wieder einsetzt, skrupellos als seine Gehilfin und Leibeigene einspannt; und daß sie, wenn sie Hinterlist verabscheut, doch mal bei ihrem neuen Freund danach suchen soll.
    Aber ich sage nichts von alldem. Im Gegensatz zu Larry liegt mir nichts an Konfrontation. Noch nicht.
    »– ich möchte nur, daß du frei bist«, sage ich. »Ich möchte nicht, daß du irgendwem in die Falle gehst.«
    Aber in meinem Kopf kreischt die Bandsäge hilflos weiter: Er spielt mit dir! Was glaubst du denn! Warum kannst du nicht über deine Nasenspitze hinaussehen? Er wird dich immer höher heben, und wenn er genug von dir hat, läßt er dich da oben hängen, schwankend am Abgrund, ohne ihn. Alles, wovor du fliehen wolltest, verkörpert er in einer Person, und die ist mein Werk.
    * **
    Es ist mein finsteres Mittelalter. Der Rest meines Lebens vor Emma. Ich höre mir Larrys gespreizte Reden an, er prahlt mit seinen Eroberungen. Siebzehn Jahre sind vergangen, seit Cranmer seinen weinenden jungen Agenten auf dem Hügel über Brighton mit Worten aufzumuntern versuchte. Heute gilt Larry als bester Joe im Arsenal der Firma. Wo sind wir? In Paris? Stockholm? In einem unserer Londoner Pubs, niemals derselbe zweimal hintereinander? Wir sind in der sicheren Wohnung in der Tottenham Court Road, bevor das Haus abgerissen wurde, um für einen weiteren Klotz moderner Einsamkeit Platz zu schaffen; Larry geht mit der grimmigen Miene eines Stardirigenten auf und ab, trinkt Scotch, und ich beobachte ihn.
    Sein Hosenbund auf Halbmast um die schmalen Hüften. Aschenflocken seiner abscheulichen Zigarette auf der offenen schwarzen Weste, die er seit neuestem zu seinem Markenzeichen bestimmt hat. Die dünnen Finger nach oben gerichtet, melkt er die Luft im Rhythmus seiner Halbweisheiten. Die berühmte Pettifer-Stirnlocke, jetzt grau meliert, hängt noch immer in pubertärer Aufsässigkeit schwungvoll über der Stirn. Morgen geht er wieder nach Rußland, offiziell zu einer einmonatigen wissenschaftlichen Konferenz an der Moskauer Staatsuniversität, in Wirklichkeit zu seinen jährlichen Ruhe- und Erholungswochen bei seinem derzeitigen Kontrolleur vom KGB, dem vermeintlichen Zweiten Kulturattaché Konstantin Abramowitsch Tschetschejew.
    Die Art, wie Moskau mit Larry umgeht, wirkt heutzutage ebenso majestätisch wie anachronistisch: VIP-Empfang am Flughafen Scheremetjewo; ein Zil mit geschwärzten Fenstern, der ihn schnellstens zu seiner Wohnung bringt; die besten Tische; die besten Karten; die besten Mädchen. Und Tschetschejew wird eigens aus London eingeflogen, um im Hintergrund den Haushofmeister zu spielen. Träte man hinter den Spiegel, könnte man sich vorstellen, sie erwiesen ihm zum Abschied die Ehre, die einem langjährigen Agenten des britischen Geheimdienstes zukommt.
    »Frauen treu sein, das ist das letzte«, erklärt Larry; dann streckt er die belegte Zunge heraus und betrachtet sie eingehend. »Wie kann ich für die Gefühle einer Frau verantwortlich sein, wenn ich nicht mal für meine eigenen verantwortlich bin?« Er läßt sich in einen Sessel fallen. Warum haben selbst seine schwerfälligsten Bewegungen einen so unbekümmerten Charme? »Wer bei Frauen herausfinden will, wann es genug ist, muß nur zuviel tun«, verkündet er, und es hört

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