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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Auslandsaufträge vom KGB bekommen. Auch sonst so gut wie nichts. Man hält sie durch spezielle Gesetze unter Kontrolle, man beschimpft sie als Schwarzärsche und läßt sie möglichst nicht aus ihren Provinzen heraus. TT hat dieses Schema durchbrochen.«
    »Verstehe.«
    »TT, so hat Larry ihn genannt.«
    »Verstehe.«
    Es wäre mir lieber gewesen, wenn sie damit aufgehört hätte, denn es war so offenkundig unwahr.
    »Schwarzarsch klingt auf russisch viel schlimmer als in unserer Sprache. Wurde ursprünglich nur für mittelasiatische Moslems gebraucht. Im neuen Geist der Offenheit hat man den Begriff auch auf die Bewohner des Nordkaukasus angewandt.«
    »Verstehe.«
    »Tschetschejew hat eine heldenhafte Figur gemacht, zumindest nach Larrys Ansicht. Verwegen, kultiviert, robust, ein ganz typischer gorets , und obendrein ein kluger Kopf. Nach dem ganzen Abschaum, mit dem Larry sich in den sechzehn Jahren davor hatte herumschlagen müssen, war TT die reinste Erholung.«
    » Gorets? «
    »Gebirgsbewohner. Plural gortsy . Er war auch ein guter Führungsoffizier.«
    »Ach ja?« Sie betrachtete fragend ihre Hände.
    »Larry neigt dazu, Menschen zu idealisieren«, erklärte ich. »Das ist Teil seiner ewigen Unreife. Wenn ihn jemand enttäuscht, kann er den nicht schwarz genug malen. Aber mit TT ist ihm das nie passiert.«
    Ich hatte sie an etwas erinnert.
    »Hatte Larry nicht irgendeinen Posten im Kaukasus?« fragte sie unwillig. »Ich glaube mich zu erinnern, daß wir das Außenministerium einschalten mußten, weil er sich Gehör verschaffen wollte.«
    »Er war der Meinung, wir sollten uns damals, zur Zeit des sowjetischen Machtverfalls, mehr für diese Region interessieren.«
    » Wieso mehr interessieren?«
    »Der Nordkaukasus war für ihn das nächste Pulverfaß. Das nächste Afghanistan. Eine ganze Reihe von Bosnien, kurz vor dem Ausbruch. Er meinte, man dürfe den Russen in dieser Region nicht trauen. Er wollte nicht, daß sie sich da einmischten. Teilen und herrschen. Er verabscheute die Dämonisierung des Islam als Ersatz für den antikommunistischen Kreuzzug.«
    » Und? «
    »Wie bitte?«
    »Unsere Rolle dabei. Was sollten wir im Westen nach Pettifers Ansicht tun , um unsere Sünden wiedergutzumachen?«
    Ich zuckte die Schultern, vielleicht ein wenig heftig. »Nicht mehr Partei für die alten russischen Dinosaurier ergreifen … auf gebührenden Respekt vor kleinen Nationen bestehen … unserer Vorliebe für große politische Gruppierungen entsagen und uns mehr um individuelle Minderheiten kümmern …« Ich zitierte Larry Wort für Wort, Pettifers Sonntagspredigten. Wie Larry hätte ich den ganzen Tag weiterreden können. »Uns mit den Details befassen. Mit den Menschen, für die wir im Kalten Krieg doch hauptsächlich gekämpft haben.«
    »Haben wir das?«
    »Er jedenfalls.«
    »Und Tschetschejew hat ihn dabei offensichtlich beeinflußt.«
    »Offensichtlich.«
    Ihre Augen hatten mich die ganze Zeit kaum einmal losgelassen. Jetzt blitzten sie anklagend auf. »Und haben Sie diese Ansicht geteilt – Sie persönlich?«
    »TTs Ansicht?«
    »Diese Auffassung von den Pflichten des Westens.«
    Nein, ganz bestimmt nicht, dachte ich. Da war Larry nicht zu ertragen, wenn er, bloß weil er sich langweilte, seine große Show abzog. Aber das sagte ich nicht. »Ich bin Profi gewesen, Marjorie. Ich hatte keine Zeit, Ansichten zu teilen oder zurückzuweisen. Ich habe alles geglaubt, was damals für den Job nötig war.«
    Sie wandte den Blick nicht von mir, und es kam mir so vor, als hörte sie weniger auf meine Worte als auf das, was ich nicht gesagt hatte.
    »Jedenfalls haben wir ihn angehört«, sagte sie, als ob wir damit von unserer Schuld freigesprochen wären.
    »Ja, schon richtig, angehört haben wir ihn. Unsere Analytiker haben ihn angehört. Der Südrußland-Experte des Außenministeriums hat ihn angehört. Aber geführt hat es zu nichts.«
    »Wieso nicht?«
    »Man hat ihm gesagt, Großbritannien habe in dieser Region keine Interessen. So ziemlich das gleiche hatten wir ihm auch gesagt, aber als er es von so weit oben zu hören bekam, hat er die Geduld verloren. Er hat ein mingrelisches Sprichwort zitiert. ›Wozu braucht ihr Licht, wenn ihr blind seid?‹ «
    » Wußten Sie, daß Tschetschejew vor zwei Jahren mit allen Ehren in den Ruhestand getreten ist?«
    »Selbstverständlich.«
    »Warum selbstverständlich?«
    »Das war zu der Zeit, als wir Larry deaktiviert haben. TTs Abschied hat zu der Entscheidung der Oberen

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