Unser Spiel
Bis jetzt haben wir immer nur den Whiskey der Firma getrunken. Heute trinken wir Zorins Wodka. Vor uns auf dem Tisch steht der glänzende silberne Taschenflakon mit den roten Insignien seines Dienstes.
»Ich weiß nicht recht, auf welche Zukunft wir jetzt trinken dürfen, Freund Timothy«, gesteht er mit ungewohnter Bescheidenheit. »Vielleicht fällt Ihnen ein angemessener Trinkspruch für uns ein.«
Also schlage ich das russische Wort für Ordnung vor, denn ich weiß, nicht Fortschritt, sondern Ordnung ist für den alten kommunistischen Soldaten das wichtigste. Und während unten die Leute ihre Einkäufe machen, Huren aus Hauseingängen ihre Kunden mustern und der Plattenladen seinen Lärm vertreibt, trinken wir hinter der Gardine unseres Fensters im ersten Stock auf die Ordnung.
»Die Fragen, die Ihnen die Polizei über Larrys Geschäftsbeziehungen gestellt hat«, sagte Marjorie Pew gerade.
»Ja, Marjorie.«
»Haben die Ihrem Gedächtnis gar nicht auf die Sprünge geholfen?«
»Ich nahm an, die Polizei habe wie üblich den Falschen erwischt. Was Geschäfte angeht, ist Larry ein Kleinkind. Meine Abteilung war dauernd damit beschäftigt, seine Steuererklärungen, Spesenabrechnungen, Kontoüberziehungen und unbezahlten Stromrechnungen in Ordnung zu bringen.«
»Sie glauben nicht, das könnte Tarnung gewesen sein.«
»Was hätte er denn tarnen sollen?«
Ihr Achselzucken gefiel mir nicht. »Unsauber erworbenes Geld, von dem niemand etwas wissen sollte«, sagte sie. »Seinen guten Geschäftssinn.«
»Ausgeschlossen.«
»Sind Sie der Auffassung, Tschetschejew könnte auf irgendeine Weise mit Larrys Verschwinden zu tun haben?«
»Das ist nicht meine Auffassung, sondern das, was die Polizei zu unterstellen schien.«
»Sie glauben demnach nicht, daß Tschetschejews Anwesenheit in Bath irgend etwas zu bedeuten hatte?«
»Ich habe dazu keine Meinung, Marjorie. Wieso denn auch? Larry und TT waren gute Freunde. Das weiß ich. Sie haben sich gegenseitig bewundert. Das weiß ich. Ob das noch immer so ist, ist eine ganz andere Frage.« Ich sah meine Chance und nutzte sie. »Ich weiß nicht einmal, wann TTs Besuche in Bath überhaupt stattgefunden haben sollen.«
Sie fuhr nicht auf. »Halten Sie es nicht für denkbar, daß Larry und Tschetschejew zum Beispiel irgendwelche geschäftlichen Verbindungen aufgenommen haben? Welcher Art auch immer?«
Auf der Suche nach jemandem, der meine Verärgerung teilte, sah ich wieder einmal Barney an, aber der stellte sich tot.
»Nein. Ausgeschlossen«, sagte ich. »Wie ich auch der Polizei mehrmals gesagt habe.« Und fügte hinzu: »Vollkommen undenkbar.«
»Warum?«
Mir gefiel nicht, mich wiederholen zu müssen. »Weil Larry sich nie etwas aus Geld gemacht hat und überhaupt keinen Geschäftssinn hatte. Das Gehalt von der Firma war für ihn ein Judaslohn. Er hat es mit schlechtem Gewissen genommen. Er hat –«
»Und Tschetschejew?«
Langsam hatte ich ihre ständigen Unterbrechungen satt. » Was soll mit Tschetschejew sein?«
»Hatte er Geschäftssinn?«
»Überhaupt nicht. So etwas war ihm zuwider. Kapitalismus, Profit, Geld als Motiv – das hat er verabscheut.«
»Sie meinen, er hat über solchen Dingen gestanden?«
»Darunter. Wie Sie wollen.«
»Er war zu ehrlich? Zu aufrichtig? Sie teilen also Larrys Einschätzung?«
»Die gortsy sind stolz darauf, daß man in den Bergen für Geld nichts kaufen kann. Habgier macht den Menschen dumm, sagen sie«, zitierte ich wieder einmal Larry. »Das einzige, was zählt, ist Männlichkeit und Ehre. Das mag romantischer Unsinn sein, aber so hat er es Larry dargestellt, und Larry war gebührend beeindruckt.« Es reichte mir jetzt. »Ich habe mit all dem nichts zu schaffen, Marjorie. Larry ist im Ruhestand, TT auch, und ich ebenfalls. Ich dachte, Sie sollten wissen, daß TT Larry in Bath besucht hat und daß Larry verschwunden ist. Falls Sie es nicht schon gewußt haben. Warum, das kann man nur vermuten.«
»Aber Sie sind nicht › man‹, oder? Sie sind der Experte für das Verhältnis Larry-Tschetschejew, ob Sie nun im Ruhestand sind oder nicht.«
»Die einzigen Experten für dieses Verhältnis sind Larry und TT selbst.«
»Aber Sie haben es doch erfunden? Und kontrolliert? Haben Sie nicht genau das in all den Jahren getan?«
»Ich habe vor über zwanzig Jahren ein Verhältnis zwischen Larry und dem damaligen leitenden Residenten des KGB aufgebaut. Larry hat sich unter meiner Führung an ihn herangemacht, zunächst den
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