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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Spröden gespielt und schließlich zugestimmt, ja, ich will für Moskau spionieren.«
    »Fahren Sie fort.«
    Das hatte ich ohnehin vor. Ich wußte nicht, warum sie mich anstachelte, und sie selbst wußte es wahrscheinlich auch nicht. Aber wenn sie einen Vortrag über Larrys Fallgeschichte wollte, den konnte sie haben. »Zuerst war Brod an der Reihe. Nach Brod hatten wir Miklow, dann Kransky, dann Scherpow, dann Mislanski und schließlich Tschetschejew, wobei Zorin der Boss und TT Larrys Betreuer war. Larry hat zu jedem von ihnen einen eigenen Zugang gefunden. Doppelagenten sind Chamäleons. Gute Doppelagenten spielen ihre Rollen nicht, sondern verkörpern sie. Sie leben sie. Wenn Larry mit Tim zusammen war, war er mit Tim zusammen. Wenn er mit seinem sowjetischen Kontrolleur zusammen war, war er mit seinem sowjetischen Kontrolleur zusammen, ob mir das gefiel oder nicht. Meine Aufgabe war es, dafür zu sorgen, daß unsere Seite den größeren Vorteil aus der Sache zog.«
    »Und Sie waren vom Erfolg Ihrer Arbeit überzeugt.«
    »In Larrys Fall war ich das, ja.«
    »Und Sie sind es noch heute.«
    »Wenn ich in ruhigen Stunden an die Ereignisse zurückdenke, ja, dann bin ich es noch heute. Bei Doppelagenten setzt man einen gewissen Verschleiß an Loyalität voraus. Die Gegenseite ist für sie stets attraktiver als die eigene. Das liegt in der Natur dieser Agenten. Sie sind ewige Rebellen. Auch Larry war ein Rebell. Aber er war unser Rebell.«
    »Larry und seine russischen Führungsoffiziere hätten also alles mögliche aushecken können, und Sie hätten nichts davon mitbekommen.«
    »Falsch.«
    »Wieso?«
    »Wir hatten vorgesorgt.«
    »Wie?«
    »Mit Hilfe anderer aktiver Quellen. Abhörmaßnahmen. Die Wohnung eines Mittelsmannes. Ein Restaurant, in dem wir Wanzen eingebaut hatten. Ein entsprechend präpariertes Auto. Und unsere Abhörprotokolle entsprachen jedesmal Wort für Wort Larrys Darstellungen. Wir konnten ihm keinen einzigen Fehler nachweisen. Das alles steht übrigens in den Akten.«
    Sie lächelte mich erbarmungslos an und betrachtete wieder eingehend ihre Hände. Offenbar hatte sie den Schwung verloren. Ich hatte den Eindruck, daß sie müde war und daß es unfair von mir war, mir einzubilden, sie könnte an einem Krisenwochenende Aktenberge aus zwanzig Jahren durchgelesen haben. Sie holte tief Luft.
    »In einem ihrer letzten Berichte verweisen Sie auf ›Larrys bemerkenswerte Übereinstimmung‹ mit Tschetschejew. Könnte sich das auf Gebiete beziehen, von denen Sie womöglich keine Kenntnis hatten?«
    »Wenn ich keine Kenntnis davon hatte, wie kann ich Ihre Frage dann beantworten?«
    »Worauf hat es sich denn bezogen?«
    »Wie bereits gesagt, hat Larry TT zu seinem Lehrmeister in Sachen Nordkaukasus ernannt. So ist Larry nun einmal. Er vereinnahmt Menschen mit Haut und Haar. Als Tschetschejew hierherkam, wußte Larry über diese Region so wenig wie jeder andere. Er besaß zwar ein ordentliches Allgemeinwissen über Rußland, aber die Völker des Kaukasus sind ein Kapitel für sich. Nach einigen Monaten hielt er ganze Vorträge über Tschetschenen, Osseten, Dagestanis, Inguschen, Tscherkessen, Abchasier und so weiter. TT hat ihn wirklich gut betreut. Er hatte ein instinktives Gefühl für ihn. Er konnte mit der Peitsche knallen, konnte ihm aber auch um den Bart gehen. Er war ein lustiger Mensch. Er hatte Galgenhumor. Und er hielt Larrys Gewissen wach. Das hat Larry immer gebraucht, ein waches Gewissen –«
    Wieder unterbrach sie mich. »Wollen Sie damit sagen, Ihre Übereinstimmung mit Larry sei größer gewesen?«
    Nein, meine liebe Marjorie, das will ich nicht damit sagen. Ich sage, daß Larry begierig nach Liebe und innerlich zerrissen war und daß er, kaum hatte er TT bezaubert, zu mir zurücklaufen mußte, um es wiedergutzumachen, denn er war nicht nur ein Spion, sondern auch ein Pfarrerssohn mit vermindertem Verantwortungsbewußtsein, der von allen Seiten Absolution für seinen Verrat an allen Seiten brauchte. Ich sage, daß er sich trotz all seiner Reuegefühle und Moralpredigten und trotz seiner mutmaßlichen geistigen Spannweite der Spionage hingegeben hat wie ein Süchtiger. Ich sage, daß er darüber hinaus auch ein Schweinehund war; daß er verschlagen und rachsüchtig war und einem im Handumdrehen die Frau wegnahm; daß er in unserem Beruf und in den schwarzen Künsten ein Naturtalent war und daß meine Sünde darin bestand, den Betrüger in ihm über den Träumer zu stellen; deshalb hat er mich

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