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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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lassen, als hätte ich Larry in einer öffentlichen Bedürfnisanstalt aufgelesen.
    Ich lachte. Mein Lachen ärgerte sie, also lachte ich ziemlich häufig.
    »Du liebe Zeit, das hat noch Monate gedauert, Marjorie. Zunächst einmal mußten wir ihn hier durchs System schleusen. Viele Leute in der Oberen Etage waren der Meinung, er werde sich niemals der Disziplin unterwerfen. Seine Schulzeugnisse waren entsetzlich, die von der Universität noch schlimmer. Überall hieß es, er sei brillant; aber in welcher Beziehung? Darf ich hier eine Anmerkung machen?«
    »Bitte.«
    »Larrys Rekrutierung war eine Gruppenoperation. Als er bereit war, den Schleier zu nehmen, hat mein Abteilungsleiter mich zu seinem Betreuer bestimmt. Aber nur unter der Voraussetzung, daß ich ihm vor und nach jedem Treffen mit Larry Bericht erstattete.«
    »Und warum hat er den Schleier genommen, wie Sie es ausdrücken?« fragte sie.
    Ihre Frage erfüllte mich mit tiefer Müdigkeit. Wenn du es jetzt noch nicht weißt, wirst du es niemals wissen, wollte ich ihr sagen. Weil er ungebunden war. Weil er ein Kämpfer war. Weil Gott es ihm gesagt hatte und er nicht an Gott glaubte. Weil er einen Kater hatte. Oder auch nicht. Weil seine dunkle Seite auch einmal durchgelüftet werden mußte. Weil er Larry war und ich Tim und es sich eben ergeben hatte.
    »Ich nehme an, ihn hat die Herausforderung gereizt«, sagte ich. »Sich selbst zu verwirklichen, aber in gesteigerter Form. Ihm gefiel die Vorstellung, als freier Knecht zu wirken. Das paßte zu seinem Pflichtbewußtsein.«
    »Als freier was? «
    »Er hatte da so einen deutschen Satz im Kopf. Frei sein heißt Knecht sein.«
    »Ist das alles?«
    »Was alles?«
    »Ist das alles, was ihn motiviert hat, oder haben auch praktischere Überlegungen eine Rolle gespielt?«
    »Der Glamour dieser Arbeit hat ihn auch gereizt. Wir haben ihm gesagt, dergleichen gebe es nicht, aber das hat erst recht seinen Appetit geweckt. Er sah sich als eine Art ketzerischen Tempelritter, der den Strenggläubigen seinen Tribut entrichtet. Es gefiel ihm, zwei Väter zu haben, auch wenn er das nie gesagt hat – den KGB und uns. Wenn Sie mich bitten würden, das alles aufzuschreiben, bekämen Sie eine Kette von Widersprüchen zu lesen. Typisch für Larry. Typisch für Joes. Die handeln nicht aus abstrakten Motiven. Es geht nicht darum, wer sie sind. Sondern um das, was sie tun.«
    »Ich danke Ihnen.«
    »Keine Ursache.«
    »Und das Geld?«
    »Wie bitte?«
    »Das Geld, das wir ihm gezahlt haben. Sein stattliches steuerfreies Einkommen. Was glauben Sie, welche Rolle das Geld in seinen Überlegungen gespielt hat?«
    »Aber um Gottes willen, Marjorie, kein Mensch hat damals für Geld gearbeitet, und Larry hat in seinem ganzen Leben nicht für Geld gearbeitet. Wie schon gesagt. Das Gehalt war für ihn ein Judaslohn. Was Geld betrifft, ist er Analphabet. Ein Neandertaler.«
    »Jedenfalls hat er eine ganze Menge bekommen.«
    »Er war haltlos. Hat immer alles gleich ausgegeben. Er ist auf jede rührselige Geschichte reingefallen. Er hatte ein paar kostspielige elitäre Gewohnheiten, worin wir ihn noch bestärkt haben, weil die Russen Snobs sind, aber in fast jeder anderen Beziehung war er vollkommen unmaterialistisch.«
    »Zum Beispiel?«
    »Daß er seinen Wein bei Berry’s gekauft hat, zum Beispiel; daß er seine Schuhe hat anfertigen lassen.«
    »So etwas nenne ich nicht unmaterialistisch. Sondern extravagant.«
    »Das sind doch nur Worte«, gab ich zurück.
    Eine Zeitlang sprach niemand, was ich als gutes Vorzeichen deutete. Marjorie inspizierte aufs neue ihre unlackierten Fingernägel. Barney sah aus, als wäre er lieber wieder in Sicherheit bei seinen Polizisten. Schließlich erwachte Jake Merriman aus seiner unnatürlichen Trance, er richtete sich auf, strich sich mit den Händen über die Weste und fuhr dann mit einem Finger an der Innenseite seines steifen weißen Kragens entlang, um ihn aus den Speckfalten zu befreien, die ihn zu ersticken drohten.
    »Ihr Konstantin Abramowitsch Tschetschejew hat die russische Regierung um mindestens siebenunddreißig Millionen Pfund erleichtert«, sagte er. »Die Russen zählen noch. Vorigen Freitag hat der hiesige russische Botschafter beim Außenminister vorgesprochen und ihm beweiskräftiges Aktenmaterial vorgelegt. Warum er dafür einen Freitag gewählt hat, als der Minister gerade zu seiner Datscha aufbrechen wollte, weiß der Himmel. Aber so war es, und die Akten sind voll von Larrys Hufabdrücken.

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