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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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ich Larry rekrutiert hatte, sondern er sich selbst; oder besser noch, nach der Larry und TT mich hinterlistig für ihre Zwecke rekrutiert hatten.
    Ich war trotzdem vorsichtig. In unserem Gewerbe hatten solche Theorien, bevor sie kleinlaut zu den Akten gelegt wurden, auf beiden Seiten des Atlantiks das Leben so manches guten Menschen ruiniert. Ich beantwortete ihre Fragen sorgfältig und genau, auch wenn ich mir, um Gemütsruhe zu demonstrieren, gelegentlich eine schnoddrige Bemerkung erlaubte.
    »Als ich ihn kennenlernte, war er der reinste Zigeuner«, sagte ich.
    »Das war in Oxford?«
    »Nein, in Winchester. Larry kam in dem Schuljahr zu uns, als ich Vertrauensschüler wurde. Er bekam irgendwelche finanziellen Zuwendungen. Die Hälfte seiner Gebühren bezahlte die Schule, die anglikanische Kirche gab ihm ein Stipendium wegen Bedürftigkeit und übernahm auch den Rest. In der Schule ging es noch zu wie im Mittelalter. Sklavenarbeit der jüngeren für die älteren Schüler, Prügelstrafen, jede Menge Schikanen, der ganze Horrorkatalog Thomas Arnolds. Larry paßte da nicht hinein und wollte es auch nicht. Er war schludrig und clever, er dachte nicht daran, seinen Kram zu lernen, konnte aber auch nicht den Mund halten, was ihn in manchen Kreisen unbeliebt und in anderen zu einem kleinen Helden machte. Er bekam ständig Prügel. Ich versuchte ihn zu beschützen.«
    Sie lächelte nachsichtig, nahm den homosexuellen Unterton zur Kenntnis, war aber zu geschickt, darauf einzugehen. »Beschützen? Wie sah das aus, Tim?«
    »Ich habe ihm geholfen, sein Mundwerk zu zügeln. Ihn davon abgehalten, sich weiter so verdammt unbeliebt zu machen. Ein paar Halbjahre hat es funktioniert, dann wurde er beim Rauchen erwischt, dann wurde er beim Trinken erwischt. Dann wurde er in der St.-Swithin-Mädchenschule bei dieser anderen Sache erwischt, was den Neid nicht so beherzter Seelen erregte –«
    »Wie zum Beispiel Sie selbst?«
    »– und ihn von der homosexuellen Hauptströmung abschnitt«, fuhr ich fort und lächelte Merriman freundlich an. »Als die Prügelstrafen nicht die gewünschte Wirkung zeigten, wurde er von der Schule gewiesen. Sein Vater, Kanonikus an irgendeiner großen Kathedrale, wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben, seine Mutter war tot. Ein entfernter Verwandter ließ etwas Geld springen und schickte ihn auf eine Schule in die Schweiz, aber die Schweizer hatten nach einem Halbjahr genug von ihm und schickten ihn nach England zurück. Wie er an das Stipendium für Oxford gekommen ist, ist mir zwar ein Rätsel, aber jedenfalls ging er nach Oxford, wo man völlig begeistert von ihm war. Er sah sehr gut aus, die Mädchen drehten sich scharenweise nach ihm um. Er war ein bezaubernder, zügelloser« – plötzlich war ich verlegen – »extrovertierter Mensch«, sagte ich und entschied mich für einen Ausdruck, von dem ich annahm, er gefalle ihr.
    Jake Merriman schaltete sich ein. »Und er war Marxist, na wunderbar!«
    »Und Trotzkist, Atheist, Pazifist, Anarchist und alles mögliche andere, Hauptsache es hat den Reichen angst gemacht«, erwiderte ich. »Eine Zeitlang bevorzugte er eine Synthese aus Marx und Jesus, ließ aber wieder davon ab, als er feststellte, daß er an Jesus nicht glauben konnte. Und er war ein sinnlicher Mensch.« Ich warf dies unbekümmert hin und registrierte erfreut, wie Marjorie Pews ungeschminkte Lippen sich zusammenzogen. »Am Ende seines zweiten Jahres mußte sich die Universität entscheiden, ob sie ihn relegieren oder bis in alle Ewigkeit durchfüttern sollte. Sie hat ihn relegiert.«
    »Aus welchem Grund genau? « fragte Pew, die meinen Redefluß zu steuern versuchte.
    »Es war einfach alles zuviel. Zuviel Alkohol, zuviel Politik, zuwenig Arbeit, zu viele Frauen. Er war ihnen zu frei. Er war ohne Maß. Er mußte gehen. Das nächstemal habe ich ihn in Venedig gesehen.«
    »Da waren Sie inzwischen natürlich verheiratet«, sagte sie, wobei es ihr gelang, durchblicken zu lassen, meine Ehe sei so etwas wie ein Verrat an der Freundschaft mit Larry gewesen. Und ich sah, wie Merriman den Kopf wegdrehte und die Augen wieder der Decke zuwandte.
    »Ja, und bei der Firma«, bestätigte ich. »Diana war auch bei der Firma. Wir waren in den Flitterwochen. Und auf dem Sankt-Markus-Platz läuft uns plötzlich Larry über den Weg, er trug ein Union-Jack-T-Shirt und hielt seinen Winchester-Strohhut auf der Spitze eines eingerollten Schirms hoch über sich.« Nirgendwo ein Lächeln, nur bei mir. »Er spielte

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