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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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rechtmäßig erworben, dann von mir einbehalten und kunstvoll verlängert und immer wieder aufs neue getestet worden war, bis ich sicher sein konnte, daß unser Quartiermeister von ihrer Existenz nichts mehr wußte. Und wohlgemerkt, die Papiere taugten was. Sie stammten immerhin von der Firma, die auf heimischer Scholle tätig war, und nicht von irgendeinem billigen Fälscher, der ein einmaliges Risiko auf sich nimmt. Jedes dieser Papiere war in die richtigen Computer eingespeist, auf Kreditwürdigkeit überprüft und gegen Anfragen von außen abgesichert, so daß man damit, vorausgesetzt man beherrschte sein Handwerk, und das beherrschte ich, und man hatte Geld, und auch das hatte ich, ein vollkommen anderes Leben in größerer Sicherheit leben konnte als das eigene.
    * **
    Als ich über die Brücke ging, wallte aus dem Bach eine eisige Nebelwolke zu mir hoch. Ich kam an das Gattertor, löste den Riegel und schob ihn in die Halterung. Dann stieß ich das Tor mit aller Kraft zurück, es kreischte empört auf, ein Laut, der sich kurz in die Geräusche der Nacht mischte. Ich schlich den Pfad hinauf, gelangte über den alten Friedhof, auf dem Onkel Bob seine letzte Ruhestätte gefunden hatte, zum Portal der Kirche und tastete nach dem Schlüsselloch. Bei absoluter Finsternis führte ich den Schlüssel ins Schloß, drehte ihn hart um, schob die Tür auf und trat ein.
    Kirchenluft ist eigenartig. Es ist die Luft der Toten, feucht, alt und furchterregend. Sie hallt, auch wenn es vollkommen still ist. Ich tastete mich, so schnell ich es wagte, zur Sakristei, fand den Soutanenschrank, öffnete ihn, wand mich, die Handflächen an die uralten Steine gepreßt, die Wendeltreppe hinauf in mein Heiligtum und machte Licht.
    Ich war in Sicherheit. Endlich konnte ich das Undenkbare denken. Das ganze geheime Leben, das ich nicht anzuerkennen und schon gar nicht zu erforschen wagte, bevor ich nicht die Geborgenheit meines Verstecks erreicht hatte, lag wieder einmal offen vor meinem prüfenden Blick.
    Mr. Timothy d’Abell Cranmer. Reden Sie! Haben Sie am Abend des achtzehnten September, am Weiher von Priddy in der Grafschaft Somerset, einen gewissen Larry Pettifer, Ihren ehemaligen Freund und Geheimagenten, durch Körperverletzung und Ertränken ermordet oder nicht?
    * **
    Wir kämpfen, wie nur Brüder kämpfen können. Alle meine Versuche, ihn zu beschwichtigen und zu verhätscheln, all seine gedankenlosen Beleidigungen, die ich unzerkaut geschluckt habe – es fing an mit seinen hämischen Bemerkungen über Diana, meine erste Frau, und ging dann zwanzig Jahre lang weiter mit Sticheleien über meine emotionelle Unzulänglichkeit, über mein, wie er es nennt, ewiges Sabberlächeln, meine guten Manieren, die ein Herz ersetzen sollen, bis hin zu seinem brutalen Diebstahl Emmas –, all meine krebserzeugende Nachsicht bricht jetzt in einem Anfall lang aufgestauter Wut aus mir heraus.
    Ich prügle wütend auf ihn ein, und wahrscheinlich schlägt er zurück, aber davon spüre ich nichts. Was immer mich trifft, ist bloß ein Hindernis auf dem Weg zu ihm, denn ich werde ihn töten. Ich bin mit einem Plan gekommen, und der steht kurz vor der Erfüllung. Ich schlage Larry, wie wir uns als Kinder geschlagen haben, mit wilden, ausholenden, stümperhaften Schlägen, die allem widersprechen, was man uns während der Kampfausbildung beigebracht hat. Wenn meine Finger nicht stark genug wären, würde ich ihn mit den Zähnen in Stücke reißen. Also schön ! schreie ich: Du hast mich einen krankhaften Schnüffler genannt , hier hast du deinen krankhaften Schnüffler ! Und zwischendurch brülle ich ihm, ohne die leiseste Hoffnung auf Antwort, die Fragen ins Gesicht, die mir auf der Seele brennen, seit Emma mich verlassen hat: Was hast du mit ihr gemacht? Welche Lügen hast du ihr über uns erzählt? – Ich meinte: welche Wahrheiten – was hast du ihr versprochen , das ich ihr nicht bieten kann?
    Es ist Vollmond. Das hohe Riedgras unter unseren Füßen ist im peitschenden Wind der Mendips zu dicken Büscheln gewachsen. Während ich auf ihn losgehe, auf ihn eindresche, fühle ich, wie das Zeug mir an die Knie schlägt. Offenbar stürze ich, denn der Mond schwenkt von mir weg, dann kommt er wieder, und ich sehe den vom Tagebau zerklüfteten Horizont senkrecht. Aber ich schlage noch immer mit behandschuhten Händen auf ihn ein, brülle noch immer Fragen wie der schlimmste Vernehmer der Welt. Sein Gesicht ist naß und erhitzt, und ich denke, es muß

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