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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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dem Moschusgeruch unbenutzter Zimmer. Hier haben sie also eine Frau reingeschickt, dachte ich. Eine Frau, die sich pudert. Oder zwei. Oder sechs. Aber auf jeden Fall Frauen: irgendein törichter Rest von Anstandsgefühl bei der Firma beharrt darauf. Verheiratete Männer dürfen nicht in den Kleidern junger Frauen wühlen. Ich stand in ihrem Schlafzimmer. Links von mir das Bad. Vorne ihr Studio. Kein Staub auf ihrem Nachttisch. Ich hob ihr Kopfkissen an. Darunter lag das Seidennachthemd aus dem White House in Bond Street, das ich ihr in den Weihnachtsstrumpf gesteckt hatte, sie aber nie hatte tragen sehen. Als sie mich verließ, hatte ich es, noch in Seidenpapier gewickelt, ganz hinten in einer Schublade gefunden. In meiner Rolle als Agent im Einsatz hatte ich es auseinandergefaltet, ausgeschüttelt und unter ihr Kopfkissen gelegt, für alle Fälle. Miss Emma ist in den Norden gereist, um sich eine Aufführung ihrer Musik anzuhören, Mrs. Benbow … Miss Emma kommt in wenigen Tagen zurück, Mrs. Benbow … Miss Emmas Mutter ist schwer erkrankt, Mrs. Benbow … verdammt, Miss Emma ist sich noch immer im ungewissen, Mrs. Benbow …
    Ich zog ihren Kleiderschrank auf. All die Kleider, die ich ihr jemals gekauft hatte, hingen ordentlich auf ihren Bügeln, genau so, wie ich sie am Tag ihres Verschwindens gesehen hatte: lange seidene Jerseykleider, maßgeschneiderte Kostüme, ein Zobelcape, das sie nicht einmal hatte anprobieren wollen, elegante Schuhe, noch elegantere Gürtel und Handtaschen. Ich starrte das alles an und fragte mich, wer ich gewesen war, als ich das gekauft hatte, und was für eine Frau ich dabei im Sinn gehabt hatte.
    Es war ein Traum, dachte ich. Aber wozu sollte ein Mann, der Emma im wirklichen Leben besaß, Träume haben? Ich hörte ihre Stimme in der Dunkelheit: Ich bin nicht schlecht , Tim . Ich muß mich nicht dauernd ändern und verkleiden . Ich bin gut so , wie ich bin . Ehrlich . Ich hörte Larry, wie er im Dunkel jener Nacht in den Mendips höhnisch zu mir sagte: Du liebst die Menschen nicht , Timbo . Du erfindest sie . Das ist Gottes Aufgabe , nicht deine . Ich hörte wieder Emma: Nicht ich muß mich ändern , Tim , sondern du . Seitdem Larry in unsern ummauerten Garten gekommen ist , benimmst du dich wie jemand auf der Flucht . Ich hörte wieder Larry: Du hast mir das Leben gestohlen . Ich habe dir die Frau gestohlen .
    Ich schloß den Schrank, trat in ihr Studio, machte Licht und schaffte es, mich einmal schnell umzusehen, wie jemand, der bereit ist, augenblicklich die Flucht zu ergreifen, falls sich irgend etwas Unsichtbares zeigt. Aber meine Augen entdeckten nichts, was sie hätten meiden müssen. Alles war so, wie ich es verlassen hatte, als ich nach ihrem Weggang den Schein wiederhergestellt hatte. Der Queen-Anne-Schreibtisch, den ich ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, war dank meiner Mühen ein Muster an Ordnung. Die Schubladen, alle aufgeräumt, waren mit frischem Schreibpapier versehen. Auf dem glänzenden Kaminrost lagen Zeitungspapier und Anmachholz. Emma liebte ein Feuerchen. Wie eine Katze streckte sie sich davor aus, eine Hüfte nach oben, mit einem gebeugten Arm den Kopf stützend.
    Meine Nachforschungen verschafften mir vorübergehend Erleichterung. Angenommen, die ganze Einbruchsmannschaft hatte sich hier mit Kameras, Gummihandschuhen und Kopfhörern hineingedrängt: Was konnten sie schon gesehen haben außer dem, was sie sehen sollten? Cranmers Frau ist nicht von operativer Bedeutung . Sie spielt Klavier , trägt lange Seidenkleider und schreibt an einem Damenschreibtisch über ländliche Angelegenheiten .
    Von den Aktenordnern mit ihrer Korrespondenz, von ihrem neu entflammten Entschluß, die Welt von allen Übeln zu heilen, vom Klappern und Fiepen ihrer elektrischen Schreibmaschine zu allen Tages- und Nachtstunden, von all dem wußten sie nichts.
    * **
    Plötzlich hatte ich einen Bärenhunger. Ich fiel, wie früher Larry, über den Kühlschrank her und verputzte die Reste eines Fasans, übriggeblieben von einer schauderhaften Dinnerparty, die ich für einige Dorfgrößen gegeben hatte. Eine halbe Flasche Pauillac wartete ebenfalls darauf, ausgetrunken zu werden, aber ich hatte noch zu arbeiten. Ich zwang mich, die Fernsehnachrichten einzuschalten, aber kein Wort, keine Silbe von vermißten Professoren und durchgebrannten Komponistinnen. Um Mitternacht ging ich wieder nach oben, machte im Ankleidezimmer Licht und zog mich hinter geschlossenen Vorhängen um: dunkler

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