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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Pullover mit Reißverschluß, graue Flanellhose und schwarze Turnschuhe. Ich schaltete das Licht im Badezimmer an, damit man es von draußen sehen konnte, und nach zehn Minuten knipste ich es wieder aus. Das gleiche tat ich in meinem Schlafzimmer, dann schlich ich nach unten, setzte, immer noch im Dunkeln, eine Schlägermütze auf und wand mir einen schwarzen Schal vors Gesicht, bevor ich auf Zehenspitzen die Dienstbotentreppe zu den Küchen hinunterstieg, wo ich beim Schein der Zündflamme des Gasboilers einen uralten, riesigen Schlüssel vom Haken in der Butlerkammer nahm und in meiner Hosentasche versenkte.
    Ich öffnete die Hintertür, schloß sie hinter mir und stand bewegungslos in der eisigen Nacht, bis meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Anfangs schien es gar nichts damit zu werden, denn es war stockfinster und kein einziger Stern am Himmel. Die Kälte hing mir wie ein Mantel aus Eis um den zitternden Leib. Ich hörte Vogelrufe und das Winseln eines kleinen Tiers.
    Allmählich erkannte ich den gepflasterten Weg. Er führte über vier Sandsteintreppen die Terrassen hinunter zu dem Bach, von dem das Haus den Namen hat. Über den Bach ging ein Steg, und dahinter war ein Gattertor, durch das man auf eine baumlose Anhöhe gelangte, von der aus ich nach und nach die vertraute Silhouette einer gedrungenen kleinen Kirche erkannte, die sich so massiv vom Himmel abhob, daß sie wie ein aus der Dunkelheit gemeißeltes Relief aussah.
    Ich schlich weiter. Ich ging zur Kirche. Aber nicht zum Beten.
    * **
    Ich bin kein gläubiger Mensch, glaube aber dennoch, daß es der Gesellschaft mit Gott besser geht als ohne ihn. Ich verneine ihn nicht, wie Larry es tut, nur um ihm dann nachzulaufen und ihn um Entschuldigung zu bitten. Aber ich bejahe ihn auch nicht.
    Wenn ich im Innersten an einen zentralen Sinn glaube, einen Urgeist , wie Larry es nannte, führt mein Weg dorthin eher über die Ästhetik – die Schönheit der Mendips im Herbst, zum Beispiel, oder wenn Emma mir Liszt vorspielt – als über das Gebet.
    Aber das Schicksal hatte verfügt, daß ich ein Hüter des Glaubens werden sollte, denn als ich Honeybrook von meinem seligen Onkel Bob erbte und es zum Ruhesitz für mich Kalten Krieger bestimmte, erhielt ich auch den Titel eines Squire und damit das Patronat der Pfarrei für die Kirche St. James the Less, eine frühgotische Miniaturkathedrale an der Ostgrenze meiner Ländereien, mit allem, was dazugehört, wie Vorkapelle, Tonnendach, sechseckigem Glockentürmchen und einem prächtigen Paar riesiger Raben; jedoch ist sie wegen ihrer Abgelegenheit und des nachlassenden religiösen Interesses jetzt nicht mehr in Gebrauch.
    Frisch aus London gekommen und beseelt von pflichtbewußter Begeisterung für mein neues bukolisches Leben, beschloß ich mit voller Zustimmung der Diözesanbehörde, meine Kirche wieder zu einem aktiven Haus des Gebets zu machen, wobei ich ebenso wie der Bischof übersah, daß ich damit die ohnehin schon dezimierte Besucherzahl der eine Meile entfernten Gemeindekirche noch stärker gefährden würde. Ich ließ auf eigene Kosten das Dach reparieren und bewahrte den herrlichen kleinen Holzvorbau vorm Verfall. Von der Frau des Bischofs persönlich unterstützt, ließ ich die Altardecke renovieren, organisierte mit willigen Helfern einen Dienstplan zum Säubern der Kirche und stellte, als alles fertig war, einen blassen Hilfspfarrer aus Wells ein, der einer gemischten Schar aus Bauern, Wochenendgästen und Pensionären wie mir, die wir alle uns Mühe gaben, einen frommen Eindruck zu machen, gegen ein inoffizielles Entgelt Brot und Wein austeilte.
    Aber schon nach einem Monat mußten die Diözese und ich einsehen, daß meine Mühen verfehlt waren. Als erstes kamen meine willigen Helfer bald gar nicht mehr so willig, was angeblich mit Emma zu tun hatte. Sie fänden es gar nicht gut, sagten sie, wenn sie in ihren Land-Rovern mit Wischlappen und Eimern zur Kirche kämen und sie dann auf der Empore säße und vor einer einköpfigen Gemeinde Werke von Peter Maxwell Davies auf der Orgel spiele. Sie gaben wenig freundlich zu verstehen, daß dieser auf jugendlich machende Londoner und sein Luxusmädchen, wenn sie die Kirche als ihren privaten Konzertsaal benutzen wollten, sie dann auch selber putzen könnten. Als nächstes erschien ein unsympathischer Mensch in Blazer und Ziegenlederstiefeln à la Larry; er behauptete, im Namen irgendeiner gänzlich unbekannten kirchlichen Körperschaft zu sprechen,

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