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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Larry wußte, empörte sich gegen diese Vorstellung. Er konnte mit Geld nichts anfangen : Wie oft mußte ich das noch in die Wüste schreien, bevor mir jemand glaubte? Habgier macht dumm .
    Nicht ein einziges Mal hatte er mich bei all den Gelegenheiten, wenn wir ihn im Lauf seiner Agentenkarriere zu diesem oder jenem Schritt gedrängt hatten, gefragt: Wieviel bezahlt ihr mir dafür?
    Nicht ein einziges Mal hatte er eine Erhöhung seines Judaslohns verlangt, sich über knausrige Abrechnung seiner Spesen beschwert oder gedroht, aus der Sache auszusteigen, falls wir ihm nicht mehr versprechen würden.
    Nicht ein einziges Mal hatte er, wenn er von seinem sowjetischen Führungsoffizier die monatliche Aktentasche mit dem Geld für die Entlohnung seiner imaginären Unteragenten erhalten hatte – es ging immerhin um Beträge von mehreren zehntausend Pfund –, in irgendeiner Weise dagegen protestiert, daß er nach den Regeln der Firma verpflichtet war, das Ganze mir zu übergeben.
    Und jetzt plötzlich ein Dieb? Tschetschejews Kassierer und Komplize? Mindestens siebenunddreißig Millionen Pfund, auf ausländische Konten verteilt: von Larry? Und Tschetschejew? Mit Zorins Einverständnis? Diese drei sollten gemeine Betrüger sein?
    * **
    »He, Timbo!«
    Es ist Abend, wir sind in Twickenham, wo keiner von uns beiden wohnt, und deshalb haben wir uns hier getroffen. Wir sitzen im besseren Teil eines Pub, der »Das Kohlfeld« heißt, oder vielleicht auch »Der Mond unter Wasser«. Larry wählt seine Pubs nur nach den Namen.
    »He, Timbo. Weißt du, was TT mir gesagt hat? Die stehlen. Die gortsy . Diebstahl ist ehrenhaft, solange sie die Kosaken bestehlen. Man zieht mit seiner Büchse los, erschießt einen Kosaken, klaut sein Pferd und wird zu Hause als Held gefeiert. Früher haben sie auch noch den Kopf ihres Opfers mitgebracht, als Spielzeug für die Kinder. Prost.«
    »Prost«, sage ich und stelle mich auf einen Larry ein, der äußerst leicht zu beeindrucken ist.
    »Es gibt auch keine Gesetze gegen das Töten. Wer in eine Blutfehde verwickelt ist, hat geradezu die Pflicht , jeden kaltzumachen, der ihm über den Weg läuft. Und die Inguschen beginnen den Ramadan früher als im Kalender festgelegt, damit sie ihren Nachbarn eins auswischen und demonstrieren können, wie fromm sie sind.«
    »Also, was hast du nun vor?« frage ich tolerant. »Willst du für ihn stehlen, töten oder beten?«
    Er lacht, gibt mir aber keine direkte Antwort. Statt dessen muß ich mir einen Vortrag über die sufistischen Bräuche der gortsy und die enorme Bedeutung der Geheimgesellschaften für die Bewahrung der ethnischen Einheit anhören; muß mich daran erinnern lassen, daß der Kaukasus der wahre Schmelztiegel der Erde ist, die große Barriere gegen Asien, das letzte Bollwerk kleiner Nationen und ethnischer Individualität. Vierzig Sprachen auf einem Gebiet von der Größe Schottlands, Timbo! Ich muß mir sagen lassen, ich soll noch einmal Lermontow und Tolstois Kosaken lesen und Alexandre Dumas als romantischen Trottel abtun.
    Und wenn Larry glücklich ist, bin ich es auf einer gewissen Ebene auch. Vor TTs Ankunft in London hätte ich auf die Zukunft unserer Operation keinen Penny gesetzt. Nun aber erleben wir drei einen neuen Aufschwung. Wie übrigens auch in düsterer Verborgenheit TTs stocksteifer Boß, der ehrwürdige Wolodja Zorin. Aber auf einer anderen Ebene mißtraue ich Larrys Beziehung zu TT mehr als jeder anderen Beziehung, die er mit seinen früheren russischen Kontrolleuren eingegangen ist.
    Warum?
    Weil TT bei Larry etwas anspricht, das seine Vorgänger nicht erreicht haben. Und ich auch nicht.
    ***
    Larry viel zu gut vorbereitet , las ich in einer gereizten Fußnote in meiner Handschrift auf dem Berichtsbogen. Überzeugt , daß er und Tschetschejew etwas aushecken … Ja, aber was? verlangte ich ungeduldig von dieser nutzlosen Einsicht zu wi ssen. Zum Spaß ein paar Flachländer ausrauben? Das war doch zu absurd. Unter dem Einfluß eines Stärkeren war Larry zu vielem fähig. Aber Quittungen fälschen, im Ausland Konten eröffnen? Sich an fortgesetztem, ausgeklügeltem Betrug zur Melodie von siebenunddreißig Millionen Pfund beteiligen? Einen solchen Larry kannte ich nicht. Aber welchen Larry kannte ich denn überhaupt?
    * **
    TT PERSÖNLICHES , las ich in Cranmers steifen Großbuchstaben auf einem dicken blauen Aktenordner, der meine privaten Aufzeichnungen zu Tschetschejew enthielt, die am Tag seiner Ankunft in London begannen und

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