Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
Vom Netzwerk:
blutüberströmt sein, aber im Dämmerlicht des Mondes kann man sich auf nichts verlassen: Eine Schicht aus Schweiß und Schmutz kann genauso aussehen wie ein zerschlagenes Gesicht. Ich traue dem also nicht und prügle und schreie weiter auf ihn ein: Wo ist sie? Gib sie mir wieder! Laß sie in Ruhe! Er spottet nicht mehr, sondern gibt nur noch ein weinerliches Schluchzen von sich, als ich zum entscheidenden Schlag aushole.
    Endlich habe ich ihn besiegt, Larry, die wahre Version meiner selbst, wie er sich nennt, den Entfesselten Timbo, dessen Leben ich nie zu führen gewagt hatte, bis ich es stellvertretend durch ihn leben konnte. Dann stirb , schreie ich ihn an, als ich zuschlage – jetzt vor Erschöpfung mit dem Ellbogen, und dann fallen mir ein paar Tricks ein. Gleich werde ich ihm einen harten Schlag auf die Luftröhre verpassen oder ihm mit den Fingern meiner behandschuhten Hand die gierigen Augen tief in die Höhlen drücken. Stirb , dann ist nur noch einer von uns da , der mein Leben führt . Denn wenn das zwei von uns tun , Larry , alter Freund , ist es schon einer zuviel .
    Wohlgemerkt, wir hatten lange geredet, ausführlich über die Omertà diskutiert, die er gebrochen hat, und wessen Leben wem gehört, wessen Mädchen wem gehört, wo sie sich jetzt versteckt und warum. Das Gespräch hatte weit in unsere dunkle Vergangenheit geführt. Aber Worte sind nur Worte, und ich bin gekommen, um ihn zu töten. Ich habe die 38er im Hosenbund, und zu gegebener Zeit werde ich ihn damit erschießen. Die Waffe ist nicht identifizierbar, nicht numeriert, es ist nicht festzustellen, woher sie stammt. Weder die britische Polizei noch die Firma haben je von ihr gehört. Ich bin mit einem Auto hierhergekommen, das nichts mit mir zu tun hat, und trage Kleider, die ich nie mehr tragen werde. Inzwischen ist mir klar, daß ich, ohne mir dessen je bewußt gewesen zu sein, den Mord an Larry seit Jahren geplant habe, vielleicht schon an dem Tag, als wir uns auf dem Markusplatz umarmten. Vielleicht schon in Oxford, wo es ihm solchen Spaß machte, mich öffentlich zu demütigen: Timbo , der es nicht erwarten kann , ein reifer Herr zu werden ; Timbo , unsere Uni-Jungfrau , unser spießiger Streber , unser kleiner Bischof , vielleicht sogar schon in Winchester, wo er trotz aller Fürsorge, die ich ihm zukommen ließ, niemals die rechte Ehrfurcht vor meiner gehobenen Stellung bekundet hatte.
    Ich bin auch ziemlich raffiniert gewesen. Verdeckte Operation, wie in alten Zeiten. Das ist kein Sonntagsessen, zubereitet von Timbo, Dialog mit freundlicher Genehmigung von Larry, und anschließend ein romantischer Spaziergang mit Emma. Ich habe ihn zu einem heimlichen Treffen hier oben in den Mendips bestellt, in dieser Mondlandschaft, die dem Himmel näher ist als der Erde, wo die Schatten der Bäume wie Tote auf dem bleichen Fahrweg liegen und keine Autos vorbeikommen. Um seinen Argwohn zu beschwichtigen, habe ich etwas von einem dringenden, aber unbestimmten operativen Zusammenhang angedeutet. Und Larry hat sich mehr als pünktlich eingefunden, denn trotz all seines unkonventionellen Verhaltens ist er nach zwanzig Jahren geduldiger Bearbeitung durch mich stets einsatzbereit bis in die Fingerspitzen.
    Und ich? Schreie ich? Nein, nein, ich glaube nicht. »Es geht eigentlich um Emma, Larry«, erkläre ich zur Einleitung, als wir uns unter dem Mond gegenüberstehen. Wahrscheinlich gewähre ich ihm mein ewiges Sabberlächeln. Der entfesselte Timbo schlägt noch nicht los. »Um unsere Beziehung.«
    Unsere Beziehung? Wessen Beziehung? Die von Emma und mir? Larry und mir? Ihnen und mir? Du hast mich ihm aufgedrängt , sagt Emma unter Tränen. Du hast mich , ohne es zu merken , für ihn aufgebaut .
    Aber er sieht mein Gesicht, zweifellos vom Mondlicht verzerrt und bereits wild genug, Alarm bei ihm auszulösen. Doch anstatt zu erschrecken, reagiert er so unverschämt, so vollkommen in Einklang mit allem, was ich dreißig Jahr lang an ihm zu hassen gelernt habe, daß er damit nichtsahnend sein Todesurteil unterschreibt. Seine Antwort geht mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf. Sie hängt vor mir in der Dunkelheit wie ein Licht, das ich finden und auslöschen muß. Selbst am hellichten Tag gellt sie mir frech in den Ohren.
    » Mann , das ist doch wohl dein Problem , Timbo . Du hast mir mein Leben gestohlen . Ich habe deine Frau gestohlen . So einfach ist das .«
    Ich merke, daß er getrunken hat. Im Wind der Mendips rieche ich nicht nur den Herbst, sondern

Weitere Kostenlose Bücher