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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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durch Hampstead Heath, bloß um einen Blick in die beleuchteten Fenster zu werfen. Wie leben sie jetzt? Wovon, abgesehen von mir, reden sie? Wer war ich, als ich noch dort wohnte? Daß Diana nicht mehr bei der Firma arbeitete, wußte ich nur zu gut, denn sie hatte Merriman einen ihrer Briefe geschrieben.
    »Ihre entzückende Exfrau beliebt uns für die Gestapo zu halten«, erklärt er wutschnaubend. »Ist verdammt grob geworden. Verfassungswidrig, unfähig, verantwortungslos: Das sind wir. Wußten Sie, daß Sie eine Schlange an Ihrem Busen genährt haben?«
    »Typisch Diana. Zieht gern vom Leder.«
    »Und was macht sie als nächstes? Vor aller Öffentlichkeit ihr Gewissen reinwaschen, nehme ich an. Im Guardian über uns herziehen. Haben Sie irgendwelchen Einfluß auf sie?«
    »Sie vielleicht?«
    Sie studiert jetzt Psychologie, habe ich gerüchteweise gehört. Sie ist Eheberaterin. Sie hat abgenommen. Sie nimmt Yogastunden in Kentish Town. Edgar hat einen wissenschaftlichen Verlag.
    Ich klingelte. Sie machte sofort auf.
    »Ich dachte, du wärst Sebastian«, sagte sie.
    Es lag mir auf der Zunge, mich dafür zu entschuldigen, daß ich der Falsche war.
    ***
    Wir saßen im Salon. Ich hatte vergessen, wie niedrig die Zimmer waren. Vielleicht war ich von Honeybrook verwöhnt. Sie trug Jeans und einen Pullover aus Cornwall, den sie während unseres Urlaubs in Padstow gekauft hatte. Verwaschen blau, stand ihr gut. Ihr Gesicht war sanfter, als ich in Erinnerung hatte, und breiter. Ihr Teint weicher. Die Augen nicht mehr so dunkel umrandet. Edgars Bücher reichten vom Boden bis zur Decke. Die meisten handelten von Dingen, von denen ich noch nie gehört hatte.
    »Er ist zu einem Seminar in Ravenna«, sagte sie.
    »So, ach ja. Großartig. Prima.« Es war mir nicht möglich, natürlich mit ihr zu reden. Ich war befangen. Schon immer gewesen. »Ravenna«, wiederholte ich.
    »Gleich kommt ein Patient von mir, und ich lasse meine Patienten nicht warten«, sagte sie. »Was willst du?«
    »Larry ist verschwunden. Man sucht ihn.«
    »Man? Wer?«
    »Alle. Die Firma, die Polizei. Getrennt voneinander. Die Polizei darf von seiner Verbindung zur Firma nichts erfahren.«
    Ihr Gesicht wurde hart, und ich fürchtete, sie würde mir eine ihrer Predigten halten: daß wir alle immer offen zueinander sein sollten und Heimlichtuerei kein Symptom, sondern eine Krankheit sei.
    »Warum?« fragte sie.
    »Du meinst, warum die Polizei nichts davon erfahren darf, oder warum er verschwunden ist?«
    »Beides.«
    Wieso hat sie eine solche Macht über mich? Warum muß ich stottern und will sie beschwichtigen? Weil sie mich zu gut kennt? Oder weil sie mich nie gekannt hat?
    »Er soll Geld gestohlen haben«, sagte ich. »In rauhen Mengen. Die Polizei hält mich für seinen Komplizen. Die Firma ebenfalls.«
    »Aber das bist du nicht.«
    »Natürlich nicht.«
    »Und warum kommst du zu mir?«
    Sie saß auf einer Sessellehne, den Rücken gerade, die Hände auf dem Schoß gefaltet, im Gesicht das freudlose Lächeln des professionellen Zuhörers. Auf der Anrichte standen Getränke, aber sie bot mir nichts an.
    »Weil er dich gern hat. Du bist eine der wenigen Frauen, die er bewundert und mit denen er nicht geschlafen hat.«
    »Bist du sicher?«
    »Nein. Ich nehme es an. Außerdem hat er stets so von dir gesprochen. «
    Sie lächelte überheblich. » Tatsächlich? Und das nimmst du ihm einfach so ab? Du bist ja sehr vertrauensselig, Tim. Sag bloß, du wirst im Alter noch weich.«
    Fast wäre ich auf sie losgegangen. Und hätte ihr gesagt, daß ich schon immer weich gewesen sei und sie als einzige das nie bemerkt habe; und hätte am liebsten hinzugefügt, daß es mir vollkommen gleichgültig sei, ob sie mit Larry schlafe oder mit einem zweizehigen Faultier; und daß Larry einzig und allein deshalb ein bißchen Interesse an ihr bekundet habe, weil er an mich herankommen wollte. Zum Glück kam sie mir mit einer eigenen Spitze zuvor:
    »Wer hat dich geschickt, Tim?«
    »Niemand. Ich handle auf eigene Faust.«
    »Wie bist du hergekommen?«
    »Zu Fuß. Allein.«
    »Ich stelle mir nur grade vor, wie Jake Merriman unten im Auto auf dich wartet.«
    »Tut er nicht. Wenn er wüßte, daß ich hier bin, würde er die Hunde auf mich hetzen. Ich bin praktisch selbst auf der Flucht.« Es läutete an der Tür. »Diana. Wenn du irgend etwas über ihn weißt – wenn er sich gemeldet hat – telefonisch, schriftlich, persönlich –, wenn du weißt, wo ich ihn erwischen kann, sag es

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