Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
Vom Netzwerk:
seine heimliche Brutstätte, und Emma, weil sie mich aus meiner behaglichen Gefangenschaft gelockt hatte.
    Und dann verfluchte ich Larry, weil er in das hohle Vakuum dessen geleuchtet hatte, was er meinen dummen rechtwinkligen Kopf zu nennen pflegte, und mich über die Grenzen meiner kostbaren Selbstbeherrschung geschleift hatte.
    Vor allem aber verfluchte ich mich selbst.
    Plötzlich wollte ich nur noch schlafen. Mein Kopf war so schwer, daß ich ihn nicht mehr tragen konnte. Die Beine wollten mir versagen. Ich überlegte schon, ob ich mich auf den Bürgersteig legen sollte, als zum Glück ein Taxi auftauchte; und so fuhr ich zu meinem Club zurück, wo Charlie, der Portier, mir eine telefonische Nachricht überreichte. Sie war von Kriminalinspektor Bryant, der mich bat, ich möge so freundlich sein und so bald wie möglich die folgende Nummer anrufen.
    ***
    Im Club schläft man nicht. Man riecht Männerschweiß und Kohlgeruch, man lauscht dem Schniefen der anderen Insassen, man erinnert sich an die Schulzeit.
    Es ist der Abend nach dem Sechser-Spiel, dem jährlichen Fest des Winchester-Fußballs; dieses Spiel ist so geheimnisvoll, daß nicht einmal erfahrene Spieler sämtliche Regeln kennen dürften. Unser Haus hat gewonnen. Um es unbescheiden auszudrücken: Ich habe gewonnen, denn niemand anders als Cranmer, Mannschaftskapitän und Held des Spiels, hat den außerordentlich wilden Sturm angeführt. Jetzt feiern die siegreichen Sechs traditionsgemäß mit Speis und Trank in der Bibliothek, während die Neuen auf dem Tisch stehen und sie mit Gesang und anderen Kunststücken unterhalten müssen. Manche der Neuen singen schlecht, und man wirft mit Büchern nach ihnen, um ihre Stimmen zu verbessern. Andere singen zu gut und werden durch hämische Zwischenrufe und Brotgeschosse auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Und ein Neuer will überhaupt nicht singen und wird zu gegebener Zeit Schläge erhalten; und das ist Pettifer.
    »Warum hast du nicht gesungen?« frage ich ihn, als er sich später an diesem Abend über den Tisch beugt.
    »Das verstößt gegen meine Religion. Ich bin Jude.«
    »Nein, bist du nicht. Dein Vater ist bei der Kirche.«
    »Ich bin konvertiert.«
    »Ich gebe dir eine Chance«, sage ich freundlich. »Was ist der Grundgedanke beim Winchester-Fußball?« Es ist die leichteste Frage aus dem gesamten Schuljargon, die mir einfällt, ein Geschenk.
    »Juden quälen«, antwortet er.
    Und da bleibt mir nichts anderes übrig, als ihn zu schlagen; dabei hätte er nur zu sagen brauchen: Unser Spiel.

8
    Das Fenster war zu klein, um hinauszuspringen, und zu hoch, um etwas zu sehen, es sei denn, man hatte Lust auf orangefarbene Kranspitzen und die regenschweren Wolkenbänke von Bristol. Die drei Stühle waren wie der Tisch mit Bolzen am Boden befestigt. Ein Spiegel, vermutlich von der anderen Seite aus durchsichtig, war in die Wand geschraubt. Die Luft verbraucht, es roch nach abgestandenem Bier. Ein welliges Plakat, das mich auf meine Rechte hinwies, zitterte vom Straßenverkehr fünf Stockwerke weiter unten.
    Bryant saß an einem Tischende, ich am anderen, zwischen uns Luck in Hemdsärmeln. Ich fragte mich, wo er seine Jacke hatte. Rechts von ihm stand auf dem Boden eine offene Aktentasche aus braunem Lederimitat. In ihren Fächern erspähte ich vier rechtwinklige Päckchen verschiedener Größe, jedes in schwarzes Plastik gewickelt und etikettiert. Auf den Etiketten standen in rotem Filzstift Abkürzungen, zum Beispiel »LP Bew 27« was ich als Beweisstück 27 im Fall Lawrence Pettifer deutete. Es entsprach irgendwie meiner abgespannten Verfassung, daß ich mir um Beweisstück 27 weniger Sorgen machte als um die anderen sechsundzwanzig. Und wenn es siebenundzwanzig gab, warum waren dann nur vier davon in der Aktentasche?
    Es gab keine Einleitung. Niemand bat um Entschuldigung, daß man mich an einem Sonntagnachmittag nach Bristol geholt hatte. Bryant hatte einen Ellbogen auf dem Tisch und stützte das Kinn in die geballte Faust wie ein Mann, der sich den Bart festhält. Luck zog einen ramponierten Kassettenrecorder aus der Aktentasche und knallte ihn auf den Tisch.
    » Was dagegen?«
    Ohne abzuwarten, ob ich was dagegen hatte oder nicht, drückte er auf den Startknopf, schnipste dreimal mit den Fingern, drückte auf Stop und spulte zurück. Dann hörten wir Luck dreimal mit den Fingern schnipsen. Bei unserer letzten Begegnung hatte er noch keinen Rasurbrand im Gesicht gehabt und auch nicht diese Säcke unter

Weitere Kostenlose Bücher