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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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empfohlen hatte, als ich nach Honeybrook umgezogen war. Aber ich zog eine andere Deutung vor.
    »Ach, danke, sehr gut. Arbeitet zuviel. Dauernd auf Tournee. Aber gut. Sie haben sie in letzter Zeit wahrscheinlich öfter gesehen als ich. Wann war sie das letztemal hier?«
    Er lachte bereits und erklärte das Mißverständnis. Ich lachte mit ihm. Meine Affäre mit Emma war weder Mr. Dass noch sonst jemandem ein Geheimnis. In den ersten Monaten meines neuen Lebens war es mir ein Vergnügen gewesen, jedem, der mir zuhörte, von ihr zu erzählen: von Emma, die bei mir eingezogen war, meiner großen Leidenschaft, meiner Schutzbefohlenen, ich hatte nichts zu verbergen.
    »Sie ist nicht entfernt so gut wie Sie, Mr. Dass, das kann ich Ihnen versichern«, ging ich schließlich auf seine Frage ein; was ihn prompt entsetzlich verlegen machte.
    »Also, Timothy, das kann aber gar nicht sein«, beteuerte er und drückte mir die glühendheißen Handflächen auf die Schultern. »Gehen Sie regelmäßig zu ihr? Hier und da mal ein Termin und dann sechs Monate gar nichts, das ist vollkommen zwecklos.«
    »Versuchen Sie das mal Emma zu erklären«, sagte ich. »Sie hatte mir versprochen, Sie vorige Woche aufzusuchen. Ich wette, das hat sie nicht getan.«
    Aber Mr. Dass ließ sich von meiner Bohrerei nicht aus seinem ausweichenden Schweigen locken. Ich versuchte ihn weiter auszuforschen, zu plump vermutlich, denn ich war viel zu nervös. Ist sie gestern hiergewesen? Heute? Wich er meinen Fragen aus, weil es ihm peinlich war, mir zu erzählen, daß sie mit Larry gekommen war? Wie auch immer, er ließ sich nicht aus der Reserve locken. Vielleicht hörte er die Spannung in meiner Stimme oder fühlte sie in meinem Körper. Mr. Dass war blind, und daher konnte man nie wissen, ob er mit seinem übersinnlichen Gehör und seinen sanft tastenden Fingern nicht doch irgendwelche verräterischen Botschaften empfing.
    »Das nächstemal sind Sie hoffentlich etwas mehr bei der Sache, Timothy«, sagte er streng, als ich ihm die zwanzig Pfund in die Hand drückte.
    Während er seine Geldkassette aufschloß, fiel mein Blick auf den Terminkalender der Sprechstundenhilfe neben dem Telefon. Mitgehen lassen, dachte ich. Schnapp ihn dir und geh. Dann kannst du selbst nachsehen, ob sie hier war, mit wem und wann. Aber ich hätte dem blinden Mr. Dass nichts stehlen können, auch nicht, wenn es um Emma ging, nicht einmal, wenn es um die Lösung der Welträtsel gegangen wäre.
    ***
    Ich stand schwer atmend auf dem Bürgersteig vor der Praxis, der dicke Nebel brannte mir in Augen und Nase. Zehn Meter entfernt lauerte ein parkender Wagen unter dem kurzen Bogen einer Laterne. Meine Beobachter? Ich schritt auf das Auto zu, schlug mit den Händen aufs Dach und schrie: »Jemand da?« Der Nebel verschlang das Echo meiner Stimme. Ich stapfte zwanzig Schritt weiter und drehte mich blitzschnell um. Kein Schatten wagte sich mir zu nähern. Kein nahes Geräusch antwortete mir aus der grauen Nebelwand.
    Mein Ziel hat sich geändert, erinnerte ich mich. Ich suche nicht mehr ängstlich nach Hinweisen, ob Larry tot oder lebendig ist. Ich suche nach ihnen beiden. Nach ihrer Verschwörung. Nach dem Grund, den sie dafür haben.
    Ich hastete durch Lichtkegel, durch Nebenstraßen, unter stachlig überhängenden Bäumen entlang. Vermummte Flüchtlingsgestalten huschten an mir vorbei. Ich zog mir den Regenmantel über. In der Tasche fand ich eine flache Mütze und setzte sie auf. Ich habe meine Konturen verändert. Ich bin unsichtbar. Drei Hunde tappten in einem melancholischen Wachwechsel umeinander. Ich blieb wieder stehen, horchte ins Nichts. Ich ging ein Stück zurück. Meine Beobachter haben sich verzogen.
    ***
    Auch noch zehn nach Jahren machte das Haus mir angst. Obwohl ich daraus geflohen war, ließ es mich nicht los. Hinter seinen grauen Mauern, die in die blaßviolette Halbtrauer von Glyzinien gehüllt waren, lagen die Reste meines Lebenstraums von Glück. Nachdem ich damals in eine bescheidene Wohnung weiter außerhalb gezogen war, hatte ich, um das Haus bloß nicht mehr zu sehen, auf dem Weg zur Firma jeden Umweg in Kauf genommen. Mußte ich doch einmal in seine Nähe, quälten mich Phantasien, daß man mich dort hineinschleppte und wieder hinter Schloß und Riegel setzte.
    Aber nach einiger Zeit wich meine Beklommenheit einer verstohlenen Neugierde, und ich fühlte mich gegen meinen Willen von dem Haus angezogen. Oft verließ ich die U-Bahn eine Station früher und eilte

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