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Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Titel: Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabor Steingart
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verweisen.
    Am 10. Januar 1870 entstand die Standard Oil Company, der sich im Januar 1872 mehrere Unternehmen der Ölbranche unter Rockefellers Führung anschlossen. Das erklärte Ziel war es, durch illegale Preisabsprachen bei den Eisenbahnlinien günstigere Frachttarife für Rohöl zu bekommen. Als diese Absprachen an die Öffentlichkeit drangen, musste Rockefeller einen Teil seiner Betriebe stilllegen.
    Aber der Staat war zu schwach, um Rockefeller und seinen Kartellbrüdern wirklich das Handwerk zu legen. Der Ölprinz erholte sich von dem Schlag und kaufte in den folgenden Jahren immer mehr Unternehmen und Anlagen der Ölindustrie auf. 1891 kontrollierte er 70 Prozent des Weltölmarktes.
    Die Anti-Trust-Gesetze, die 1890 vom Kongress erlassen wurden, waren in erster Linie gegen die Rockefellers gerichtet. Aber wieder entkam der Ölmagnat: In einem mehr als 20 Jahre dauernden juristischen Schlagabtausch gelang es Standard Oil, die Zerschlagung zu verhindern. Erst am 18. November 1906 wurde das Ölkartell durch die Regierung der Vereinigten Staaten unter Präsident Theodore Roosevelt angeklagt. Wieder folgte ein über mehrere Jahre sich hinziehender Prozess, der am 5. Mai 1911 schließlich mit der Zerschlagung der Standard Oil Company endete. Endlich!
    Eines ist auffällig in jener Frühgeschichte unseres Wirtschaftssystems: Nirgendwo im Westen befand sich ein Bankhaus unter den größten und mächtigsten Firmen. Die Industriebarone hätten es nie und nimmer zugelassen, dass ihre Dienstleister und Geldkofferträger sich über sie erheben. Auch wenn die Transformation von Waren in Geld und wieder zurück in Waren schon in den Handelsgesellschaften der vorherigen Jahrhunderte eine wichtige Rolle spielte. Auch wenn nicht bestritten werden soll, dass das zentrale Produkt der Banken, der Vertrieb von Krediten, seit jeher eine Schlüsselfunktion im Wirtschaftsprozess einnimmt und auch für die Kriegsführung und die Repräsentationswut der Monarchen unerlässlich war. Aber die Sonderstellung der heutigen Banken gegenüber allen anderen Mitgliedern des Wirtschaftslebens ist in der Weltwirtschaftsgeschichte ohne Vorbild.
    Im Kapitalismus folgen die Banken historisch dem Aufstieg der Industriedynastien, nicht umgekehrt. Die Kreditwirtschaft kam nach den Industriefürsten zu Macht und Ansehen, nicht vor ihnen. Der Erfolg der Realwirtschaft war die Grundvoraussetzung für die Karriere der Anleiheverkäufer, Kreditgewährer und Wechselschreiber. Erst der wachsende Kapitalbedarf von Stahlhütten, Kohlebergwerken und Eisenbahngesellschaften schuf den Humus, auf dem echte Kapitalsammelstellen und weltweit vernetzte Kreditinstitute gedeihen konnten.
    So nahm die Deutsche Bank erst im April 1870 ihren Geschäftsbetrieb auf. Das war mehr als 100 Jahre nach Erfindung der Dampfmaschine, 59 Jahre nach Gründung der Firma Krupp in Essen und 23 Jahre, nachdem in Berlin die Familie Siemens mit ihrer Telegraphen Bau-Anstalt die Geschäfte aufnahm. Die Bank stieg, auch dank der liebevollen Förderung durch Ministerpräsident und Reichskanzler Otto von Bismarck, zum größten Geldhaus des Kaiserreichs auf. Aufgrund der beeindruckend hohen Bestände an Spareinlagen besaß die Bank ausreichend Finanzkraft, um die expandierende deutsche Wirtschaft mit Investitionsgeldern zu versorgen. Hermann Wallich, einer der drei Bankdirektoren der ersten Stunde, sah seine Bank in einer der Realwirtschaft dienenden Funktion und warnte vor » verkappten Spekulationen « . Wallich lehnte es ab, » den Schwerpunkt unseres Wirkungskreises in der Börse zu suchen « .
    Die Banken waren auch damals wichtig, aber sie waren nicht dominant. In der Rangordnung der Branchen kamen sie erst auf Position drei – nach Bergwerksbetrieben und Minengesellschaften, die wie alle Rohstoffproduzenten zum primären Sektor gerechnet werden, und hinter dem sekundären Sektor, der alle Stahlfirmen, Autohersteller und Chemiefabriken, also die Verwender und Veredler von Rohstoffen, umfasste. In der Klassifizierung der Bankenwelt als » tertiärer Sektor « findet der Gedanke der Unterordnung, des Dienlich-Seins und des Nachrangigen seinen unübersehbaren Ausdruck. Die heutigen Bankvorstände wollen daran nicht gern erinnert werden. In der Absicht, sich über ihre quasi natürliche Funktion zu erheben, nennen sie sich selbst » Finanzindustrie « .
    Die Geschichte von Industrie und Banken ist eine gemeinsame, aber keine harmonische. Von Anfang an nicht, was vor allem an den von

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