Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)
notleidender Anleihen und eine Senkung des Zinssatzes dem Markt Liquidität zu. Im Herbst 1931 gründete die Regierung Hoover die National Credit Corporation, die sich 1932 in Reconstruction Finance Corporation umbenannte, um angeschlagenen Banken Liquidität zur Verfügung zu stellen. Kritiker sprachen vom » financial socialism « . Eine Begrifflichkeit, die uns bei der Rettung der Commerzbank, der Hypo Real Estate und anderer Banken durch den Staat wiederbegegnete.
Zum Äußersten, der Verstaatlichung von Banken, konnten sich Regierung und Notenbank in der Ära Hoover nicht durchringen. » Bank panics « gehörten im Lande der spekulativen Übertreibungen zur Normalität, so dachte man. Es würde wohl auch diesmal nicht zum Äußersten kommen.
Doch diese Weltwirtschaftskrise war kein Sturm, sondern ein Hurrikan. Der Zusammenbruch von vielen kleineren Banken löste die Zahlungsunfähigkeit der mittleren Banken aus, woraufhin schließlich mit der » Bank of United States « eine der großen Privatbanken in New York zusammenkrachte. Aus den durchschnittlich 600 Bankzusammenbrüchen während der 20er Jahre waren im Jahr 1931 rund 2300 Zusammenbrüche geworden, 1933 meldeten wiederum 4000 Banken ihre Zahlungsunfähigkeit an. Damit schlossen binnen eines Jahres rund 20 Prozent der amerikanischen Geschäftsbanken ihre Schalterhalle und machten, da es keine Ausfallfonds für die Geldanleger gab, aus redlichen Sparern über Nacht Bettler und Almosenempfänger.
In Deutschland griff der Staat beherzter ein als in Amerika. Die ins Straucheln geratene Danatbank blieb formal in privater Hand, konnte aber dank einer » Reichsgarantie « wieder ihre Schalterhallen öffnen. Die Commerzbank wurde von einer Reichsbanktochter aufgekauft, die Dresdner Bank direkt verstaatlicht.
Der ins Stocken geratene Geldkreislauf kam so zwar wieder in Gang. In den Beziehungen zwischen Volk und Volksvertretern aber herrschte fortan Eiszeit. Denn während der Finanzsektor schon damals wie ein Nationalheiligtum behandelt wurde, ließen die Reichskanzler Heinrich Brüning und Franz von Papen die Leistungen der Arbeitslosenversicherung um bis zu 20 Prozent senken, sie kürzten die Renten in gleicher Höhe und setzten die Löhne im öffentlichen Dienst um 23 Prozent herunter. Noch bevor der Republik die Republikaner ausgingen, ging sie ihrer Wirtschaftspolitiker verlustig. Wohin das Auge auch blickte: Überall waren nur Haushaltsdirektoren zu sehen, die mit Kürzungen ihre Etats retten wollten, aber keine Wirtschaftspolitiker, die sich als Wohlstandsverteidiger verstanden.
Wer sich an das Griechenland dieser Tage erinnert fühlt, hat den richtigen Reflex. Die Rettungspolitik von Weltwährungsfonds, EU -Kommission und Merkel-Regierung trägt unverkennbar Brüning’sche Züge. Es wird gespart und gekürzt, bis die Wirtschaft von der Rezession in die Depression gleitet. Die Demokratie wird so nicht gestärkt, wie der Aufstieg der faschistischen Oppositionsgruppe » Goldener Morgen « zur Parlamentspartei belegt.
Wer heute den Aufstieg Hitlers zum Mysterium verklärt, zum schicksalhaften Aufeinandertreffen von Antisemitismus, großkapitalistischen Machtfantasien und dem Abenteurertum einer braunen Jugendbewegung, springt zu kurz. Er landet im Graben der Mythen und Halbwahrheiten. Die Zentralkraft, die Hitlers Aufstieg befeuerte, war ein dysfunktionales Wirtschaftssystem. Man beachte die Reihenfolge: Erst schrumpfte der Wohlstand, dann verschwand die Demokratie. Erst versagte der Kapitalismus, dann der bürgerliche Parteienstaat.
Der Wohlstand ist und bleibt nun einmal ein Kernanliegen des modernen Bürgers. Der Bürger wählt links oder er wählt rechts, er ist Christ, Jude, Moslem oder Atheist, Mann oder Frau, homo- oder heterosexuell, aber das einigende Band der in den westlichen Gesellschaften verbundenen Bürger ist ihr Streben nach Wohlstand – nach materiellem Wohlergehen, nach Freiheit der beruflichen Betätigung, nach Stabilität der Lebensverhältnisse insgesamt. Die Menschen wollen nicht links oder rechts leben, sie wollen gut leben.
Ein System, aber auch eine Partei oder ein Politiker, der auf dem zentralen Gebiet der Wohlstandserzeugung versagt, kämpft auf verlorenem Posten. Auf den Rückhalt der Millionen können sich die Feinde des Wohlstandes, auch wenn es Feinde aus Unfähigkeit oder Gleichgültigkeit sind, nicht verlassen.
Für die Wohlstandsvernichter hat das Volk, wenn es sich erst ein Urteil in diese Richtung gebildet hat,
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