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Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Titel: Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabor Steingart
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sah sich nicht mehr als Mitspieler, sondern als gesellschaftliche Garantiemacht, wobei von den garantierten Rechten zunächst vor allem die Fabrikanten profitierten. Die staatlichen Heere schützen die Fabriken, die Kriegsschiffe seine Handelsrouten, und in den inneren Beziehungen sorgte der Staat für die Abschaffung von Wegezoll und anderen Hemmnissen des Handels. Auch die im Deutschen Reich bis zum Jahr 1893 gültigen sechs Zeitzonen wurden im Zuge des Eisenbahnbaus abgeschafft. Das ewige Rechnen und Verrechnen war nicht mehr zeitgemäß.
    Seine Errungenschaften nutzten dem Kapitalismus nicht viel. Seine Geburtsfehler waren zu stark ausgeprägt. Mit seinen wölfischen Instinkten war keine Zivilgesellschaft zu machen. Das Wirtschaftssystem war in den Augen einer Mehrheit zu primitiv, zu roh und zu schwankend, um mit den Gegenwartsfragen verantwortungsbewusst umzugehen. Es war in der komplexen Welt, die es selbst hervorgebracht hatte, nicht überlebensfähig.
    Der rastlose Unternehmer entpuppte sich als gefährlicher Geselle, solange niemand da war, ihm Einhalt zu gebieten. Seine Rastlosigkeit wurde zur Quelle der Rastlosigkeit des gesamten Wirtschaftssystems. Seine »schöpferische Zerstörung« war in der Lage, nicht nur die Geschäfte seines Rivalen, sondern die Gewohnheiten und Notwendigkeiten der gesamten Gesellschaft zu zerstören. Die Aggressivität des Einzelnen schlug um in die Autoaggressivität des Systems. So taumelte der durch sich selbst verwundete Kapitalismus zu Beginn der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts, also keine 160 Jahre nach Inbetriebnahme der ersten Dampfmaschine, in der westlichen Welt bereits seinem Ende entgegen. Es war ein furioses Finale, das bis heute in den Köpfen nachwirkt. Der Kapitalismus hat sich in ihm auf ewig schuldig gemacht.

Kapitel 2 – Monopoly. Die Todsünden des Kapitalismus
    Die Reichen werden reicher, die Armen arbeitslos. +++ Warum die » Große Depression « das Schicksal der ersten deutschen Demokratie besiegelt und den Wolfskapitalismus gleich mit erledigt. +++ Das Primat der Politik setzt sich überall im Westen durch: Wie Hitler und Roosevelt den Staat für sich entdecken und was Diktator und Demokrat sonst noch verbindet.

Die »Große Depression« – Fundamentalkrise des westlichen Wirtschaftssystem
    Das Menschheitsexperiment einer ungezügelten Herrschaftsausübung durch die industrielle Klasse muss spätestens seit Anfang der 30er Jahre als gescheitert gelten. Dabei waren es nicht in erster Linie die notorische Ungerechtigkeit und der in den Fabriken herrschende Kasernenhofton, die man dem System übel nahm. Daran hatten sich die Arbeiter fast schon gewöhnt.
    Der große moralische Skandal des Kapitalismus war das Überfallartige und Unstete seines Charakters. Er konnte Wohlstand erzeugen, aber ihn nicht garantieren. Die » unsichtbaren Hände « , von denen Smith in romantischer Verklärung gesprochen hatte, erwiesen sich Ende der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts als gemeingefährlich. Sie gingen den Menschen an die Gurgel.
    Vor allem für die einfachen Arbeiter, den kleinen Mittelstand und die mit schwacher Gewinnmarge arbeitende Landwirtschaft erwies sich das System als existenzbedrohend. Auf das kleine Glück war kein Verlass, so wenig wie auf das Wohlergehen der Nation. Kaum hatten sich die europäischen Volkswirtschaften wieder auf das Niveau vor dem Ersten Weltkrieg hochgearbeitet, war es mit dem Wohlstand auch schon wieder vorbei.
    In der zweiten Hälfte der 20er Jahre steigerte sich die Wirtschaftsleistung im Westen noch um 20 Prozent, dann kam der große Druckabfall. Spekulation an den Aktienmärkten und riskante Kreditgeschäfte, beides schon damals begünstigt durch das Fehlen einer staatlichen Bankenaufsicht, waren die Auslöser einer weltweiten Bankenkrise. Der Dow Jones, eben noch bei 381 Punkten, sackte Ende des Jahres 1929 innerhalb von zehn Wochen auf 199 Punkte ab. Zwei Jahre später stand er bei 79 Punkten.
    Die Realwirtschaft, also jener Ort, wo echte Menschen in echten Fabriken echte Produkte herstellen, war unmittelbar von den krisenhaften Erscheinungen des Finanzsektors betroffen. Denn mit dem Zusammenbruch der Aktienmärkte setzte ein Wettlauf um Liquidität ein. Die Immobilienfinanzierung geriet ins Stocken, weil die Banken nun lieber Bargeld horteten. Damit kamen die Bauaktivitäten zum Erliegen, was nicht ohne Auswirkungen auf die Bestellungen in den Industriebetrieben bleiben konnte.
    Auch viele Privatleute steckten das

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