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Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Titel: Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabor Steingart
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September 2004, also nahezu drei Jahre. Nie zuvor seit Gründung der Federal Reserve Bank blieben Zinsen für so lange Zeit auf so niedrigem Niveau.
    Solange die Preise auf dem Immobilienmarkt schneller stiegen als die Zinsbelastung der Schuldner, konnten diese den Hauskredit noch um einen Autokredit, einen Möbelkredit, einen Ausbildungskredit, einen Kreditkartenkredit und, jetzt oder nie, um einen weiteren Hauskredit erweitern. So entstand ein Schuldenturm, der mit jedem Tag höher und wackeliger wurde. Ein Jahr vor der Pleite des Bankhauses Lehman und dem Zusammenbruch des Immobilienmarktes erreichte die private Verschuldung der US -Haushalte mit 139 Prozent eines durchschnittlichen Jahreseinkommens den höchsten je gemessenen Wert. Ein immer höherer Anteil der privaten Einkommen floss nun in die Bedienung der Schulden. Viele Amerikaner waren in Zinsknechtschaft geraten.
    Die Banker aber glühten vor Geschäftstüchtigkeit. Allein die Boni der fünf größten Wall-Street-Banken – Goldman Sachs, Morgan Stanley, Merrill Lynch, Bear Stearns und Lehman Brothers – steigerten sich von 16 Milliarden Dollar in 2004 auf über 25 Milliarden Dollar in 2005 und schließlich auf 36 Milliarden Dollar in 2006. Auch im ersten Krisenjahr 2007 wurden noch 38 Milliarden Dollar an Boni ausgezahlt.
    Gab es in den 1980er Jahren ungefähr drei Millionen Hausverkäufe pro Jahr, waren es in den 90er Jahren bereits zwischen vier und fünf Millionen. In 2005 wurden dann sieben Millionen Häuser verkauft, und das zu Preisen, die im Durchschnitt um fast 100 Prozent über denen des Jahres 1995 lagen. Der Boom nährte den Boom. Der Kreditzyklus trieb den Konjunkturzyklus.
    Die Armen und Mittellosen erkannten ihre Bankmanager gar nicht mehr wieder. Für Menschen, die geringfügig beschäftigt waren oder arbeitslos oder krank, oder arm oder drogenabhängig oder alles zusammen, gab es in normalen Zeiten ein mitleidiges Achselzucken, aber keinen Kredit für Hauseigentum. Oft gelang es diesen Menschen nicht einmal, ein Bankkonto zu eröffnen.
    Jetzt aber wurden sie hofiert. Man lud sie auf eine Tasse Kaffee ein. Man ersparte ihnen jede Anzahlung, und selbst die Tilgung war verhandelbar, in den ersten Jahren wurde oft nicht einmal der Zins bedient. Sogar der lästige Papierkram, die Bonitäts- und Liquiditätsprüfung, der Nachweis des festen Arbeitsplatzes und ein Schriftstück zum letzten Jahreseinkommen, entfielen plötzlich oder wurden auf das Format eines Bierdeckels geschrumpft. Galt in den 80er Jahren, bevor Clinton die konservative Kreditvergabe der Banken kritisierte, eine Anzahlung von 30 Prozent als Grundvoraussetzung für einen Hauskredit, gab es nun de facto 105 Prozent des Kaufpreises auf Pump. Die Bank übernahm nicht nur den kompletten Hauskauf, sondern zahlte auch Makler, Notar und Steuern für den Käufer.
    In den Banken gründete man für die mittellosen Käufer eine eigene Abteilung, die sich » Subprime Mortgages « nannte, das bezeichnete den Immobilienkredit für nicht erstklassige Schuldner. Der Erfolg einer Bank bemaß sich plötzlich daran, dass man möglichst viel Geld an einen möglichst großen Kreis nicht kreditwürdiger Menschen vergab.
    Die Banken hatten natürlich eine Ahnung des Kommenden. Auch deshalb gingen sie dazu über, die Risiken in ihren Büchern möglichst schnell an Dritte, am besten an Ahnungslose, weiterzuverkaufen. Das international verfügbare Sparkapital – in Deutschland, Japan und China liegen die Sparraten deutlich über denen der USA – bot sich geradezu an, um die Risiken vom Mittleren Westen der USA über New York nach Übersee zu transferieren.
    Vor allem die große Gruppe der sogenannten Fixed Income Manager, also jene Fondsverwalter, die nicht mit Aktien oder Rohstoffen handeln, sondern – wie der Name » Fixed Income « sagt – mit Staats- und Firmenanleihen, die einen Festzins abwerfen, waren die ideale Zielgruppe für das neue Produkt. Sie brauchten hochprozentige Papiere, um die bei Lebensversicherungen und Pensionsfonds zugesagten Minimalverzinsungen zu erzielen. Die Niedrigzinspolitik der US -Notenbank aber war dabei, ihren bisherigen Anlageliebling, die Staatsanleihe, unattraktiv zu machen. Die » Mortgage-backed Securities « galten auch deshalb als der letzte Schrei, weil sie deutlich oberhalb der Staatsanleihe rentierten. Diese Papiere stiegen zur neuen » Staatsanleihe « des beginnenden 21. Jahrhunderts auf. Das monetäre Perpetuum mobile schien erfunden. Aus dem Nichts

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