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Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Titel: Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabor Steingart
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der Mittellosen war in einer großen Teamleistung von Regierung, Notenbank, Banken und Ratingagenturen ein hochkomplexes, vermeintlich werthaltiges Produkt entstanden, das reißenden Absatz fand.
    Sage keiner, der Staat wusste nicht, was eine » Mortgagebacked Security « ist. Er wusste es deshalb so gut, weil er es selbst erfunden hatte. Das Bündeln und Verschneiden verschiedener Hauskredite zu einem jederzeit handelbaren Wertpapier ist nicht die Erfindung geldgieriger Wall-Street-Banker. Ihre Gier wollen wir ihnen nicht absprechen, wohl aber die hier zur Rede stehende Innovation. Es war die staatliche Bausparkasse » Government National Mortgage Association « (auch » Ginnie Mae « genannt), die diese hypothekenbesicherten Wertpapiere schon 1968 erfunden hat.
    Damals ging es darum, die Risiken der regionalen Immobilienfinanzierung, die durch die Pleite eines großen lokalen Arbeitgebers entstehen konnte, zu minimieren. Also bündelte man die Risiken verschiedener Regionen zu einem Wertpapier, das zwar nicht wertvoller als die Summe seiner Teile war, aber schwankungsfreier und risikoärmer.
    Wall Street entwickelte diese » Ginnie Mae « -Erfindung später weiter. Die Verwandlung von hochriskanten amerikanischen Immobilienkrediten in ein nach China und Deutschland exportierbares Wertpapier mit Top-Rating der Güteklasse A war ein revolutionärer Schritt, wie Nouriel Roubini zu Recht schreibt. Er war sogar doppelt revolutionär: Denn die Immobilie hatte plötzlich ihre Immobilität verloren. Sie war weltweit handelbar geworden. Und: Das Risiko war wie durch Hexerei aus den Büchern der Kreditgeber verschwunden. Im Markt für regionale Immobilienkredite herrschte eine nie zuvor erreichte Liquidität. Das Verrückte war: In der perfekten Welt der damaligen Zeit, mit steigenden Immobilienpreisen, niedrigen Zinsen und hoher Beschäftigung, funktionierten die neuen Wertpapiere jahrelang. Es gab überall auf der Welt nur zufriedene Gesichter. Die Hauseigentümer genossen ihr kleines Glück, die Politiker konnten Wahlerfolge verbuchen, die Fixed-Income-Manager schliefen wieder ruhig, Notenbank-Chef Greenspan wurde als Magier verehrt, und an der Wall Street rieb sich jeder Hilfsassistent die Hände.
    In den 80er Jahren war der Markt für » Mortgage-backed Securities « noch weitgehend unbekannt, zu Beginn des 21. Jahrhunderts wies er einen Wert von einer Billion Dollar aus, im Jahr 2006 erreichte er bereits einen Wert von 400 Billionen Dollar. Der amerikanische Blogger Barry Ritholtz (www.ritholtz.com/blog/), der sich als ironischer Beobachter der Finanzszene einen Namen gemacht hat, sagt: » Von 2002 bis 2006 schien es, als ob Manna vom Himmel fiel. «
    Auch wenn es modern ist, wirtschaftliche Großkatastrophen wie die Subprime-Krise einer Person – am liebsten Greenspan oder Bush – oder wenigstens einer Institution – Wall Street oder der Fed – und, wenn das nicht hilft, der Spieltheorie oder den Algorithmen der Computer in die Schuhe zu schieben: Das funktioniert hier nicht. Die Schuhe sind immer zu klein. Subprime ist die erste Krise, die in Kollaboration von Politikern, Notenbankern und Investmentbankern vorbereitet worden ist. Diese Vorgänge, die schließlich die tiefste Rezession seit der Großen Depression auslösten, hatten mehr Mittäter, als auf ein Fahndungsplakat passen. Und sie hatten mehr Opfer, als in allen Sportstadien der Welt Platz nehmen könnten.
    Die Zahl der Mahner aber war kleiner als klein. Selbst viele Wissenschaftler feierten die Geschehnisse auf dem Immobilienmarkt der USA als Durchbruch zu einer neuen Ära der Gerechtigkeit. Professor Harvey S. Rosen von der Princeton University beispielsweise sagte: » Die wichtigste Errungenschaft, die der Immobilienmarkt in den letzten 30 Jahren hervorgebracht hat, ist die, dass nun auch die Ausgeschlossenen hineingelassen werden: die Jungen, die Diskriminierten, die Menschen, die nicht viel Geld besitzen, um eine Anzahlung zu leisten. «
    Selbst als dunkle Wolken über dem Subprime-Markt aufzogen, als die Preise zu fallen und die Zahl der Zwangsversteigerungen zu steigen begann, hielten Banken und Politiker einander die Treue. Niemand Geringerer als der neue, im Februar 2006 ins Amt gekommene Fed-Chef Ben Bernanke sprach auf der Konferenz der Federal Reserve Bank of Chicago am 17. Mai des Jahres 2007 den Investmentbanken sein volles Vertrauen aus.
    Natürlich war Bernanke nicht entgangen, dass die Immobilienpreise zu fallen begonnen hatten und viele

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