Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)
ausgebildeten Kindergärtner, den fürsorglichen Krankenpfleger und die wache Ärztin im Nachtdienst –, werden kurz gehalten. Zu kurz! Mit dem angemessenen Gehalt wird ihnen oft auch der Respekt verweigert.
Mit dem Volkseigentum geht unser Staat nicht besser um. Lieber brummt er uns eine Haushaltsgebühr für ARD und ZDF auf, als bei den Internet-Giganten Google und Facebook eine Steuer für die Nutzung der mit Steuergeld verlegten Kabelnetze zu erheben. Lieber lässt er die Infrastruktur verfallen, als auch nur eine Bank abzuwickeln. In den vergangenen 60 Jahren hat der Staat die Substanz seiner Straßen und Schulen, seiner Kanalisation und Bahnhöfe erst aufgebaut, und nun bröckelt vieles vor sich hin.
Die Bürger haben in der gleichen Zeit dagegen Substanz aufgebaut. Allein der Wert der privaten Häuser beträgt mittlerweile fünf Billionen Euro. Derweil die Staatlichkeit erfindungsreich vor allem beim Geldausgeben ist und daher nach dem Prinzip einer afrikanischen Großfamilie von der Hand in den Mund lebt, wurde in den deutschen Familien gespart: 250 Milliarden Euro sind in Aktien und 1,4 Billionen in Lebensversicherungen angelegt. » Maßhalten « , das große, alle anderen Worte des Ludwig Erhard überragende Wort, hat der Bürger nicht verlernt. Es bildet den Grundwert seiner Bürgerlichkeit, nicht nur im Finanziellen.
Ganz gefahrlos ist dieses Gespräch mit dem Wahlkreisabgeordneten freilich nicht. Wir müssen aufpassen, dass unsere hohen Rücklagen auf unseren Volksvertreter nicht zu verführerisch wirken. Sonst brummt er uns noch auf der Türschwelle eine Sparschweinsteuer, eine Aktiensteuer und eine weitere Immobiliensteuer auf.
Ihr müsst euer Leben ändern – wie die Banker wieder zu Dienern der Gesellschaft werden
Der Finanzsektor steht heute wie benommen da. Die stolzesten Institute, wie die Deutsche Bank oder die Allianz, sind darauf angewiesen, dass die schwachen Geldhäuser und die überschuldeten Staaten weiter ihren Stabilisierungscocktail gespritzt bekommen. Denn alle sind mit allen verbunden. » Selbst das Schweizer Banksystem, für viele Jahrzehnte der Inbegriff von Stabilität und Solidität, wäre ohne Staatshilfen dem Untergang geweiht « , sagt Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. Eine neuerliche Finanzkrise würden viele Banken und Versicherungen des Westens in ihrem derzeitigen Erschöpfungszustand nicht überleben.
Der in etlichen Banken, namentlich der Commerzbank, der Deutschen Bank und der UBS in Zürich, angekündigte Prozess eines » Kulturwandels « sollte in die Tat umgesetzt werden, nicht nur schnell, sondern auch radikal: von der Wurzel her kommend. Im Moment hören wir von der Verfehlung Einzelner, die aufgearbeitet gehöre. Aber das ist zu klein gedacht. Das Versagen war ein systemisches, kein individuelles. Wenn junge Händler Milliarden verspekulierten, wenn Männer des mittleren Managements Zinssätze manipulieren konnten, dann sprechen die Bankenaufseher zu Recht von » Organisationsversagen « .
Der Finanzsektor hatte aufgehört, sich für das Wohlergehen der Gesellschaft zu interessieren. Er wollte nicht mehr tertiärer Sektor, nicht mehr Dienstleister sein. Das Eigeninteresse der Institution und, als ein Derivat dieser Haltung, das Eigeninteresse des in ihr beschäftigten Bankers, standen jahrzehntelang an der Spitze der Prioritäten und des Selbstverständnisses. Das Kundeninteresse war eine untergeordnete Größe, brauchbar vor allem als Leerformel für die Werbung. Die Kreditvergabe an kleine und mittlere Firmen wurde von vielen Großbanken als lästiges Überbleibsel der Vergangenheit angesehen, als es noch die vornehmste Aufgabe einer Bank war, zwischen Sparern und Kreditnehmern zu vermitteln.
Bereits der ehemalige Chef der Deutschen Bank Rolf Breuer nannte dies » unser altes Geschäftsmodell « . Das neue Geschäftsmodell besteht darin, die Risiken aus der Bank heraus in die Kundschaft oder zu anderen Geldhäusern zu verlagern. Bei lang laufenden Kreditbeziehungen zu Unternehmen, die das Bankengeld in Förderanlagen, Maschinenparks oder ein neues Verwaltungshochhaus investieren, ist das nur schwerlich möglich. Scheitert das Unternehmen, leidet die Bank. Keiner hat das neue Geschäftsmodell dem Autor so einprägsam erklärt wie Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein: » Echtes Geld für echte Investitionen in echte Fabriken? Das ist zu riskant für mich. Wir wollen unser Geld zurück – und zwar jede Nacht. «
Der Aktienmarkt und seine Derivate, das Wetten
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