Unsere Claudia
aber auch blendend, Karin“, sagte sie und lächelte ihre Kusine an. „Und du mußt ja bedenken, Ulla hat richtige Langlauf-Schlittschuhe, das hat viel zu sagen.“
„Ja, aber Ulla hätte auch gewonnen, wenn sie Bandy-Schlittschuhe gehabt hätte“, sagte Karin. „Ulla ist eine fabelhafte Schnelläuferin.“
Gute Verliererin, schoß es Claudia durch den Kopf. Ja wahrhaftig, Karin hatte den rechten Sportgeist!
Jungen und Mädchen scharten sich um Karin, und Claudia in ihrem feinen Kostüm stand ein wenig allein im Hintergrund. Sie fror. Es war in gewisser Weise peinlich, hier, wo es so viele tüchtige Läufer gab, ihre kleinen Eislaufkünste vorzuführen – und doppelt peinlich, weil sie so fein angezogen war, daß alle auf sie aufmerksam werden mußten.
So stand sie denn da, dünn und verfroren und mit roter Nase und getraute sich nicht aufs Eis hinaus und verstand nicht, was um sie herum geredet und geplappert wurde. Ein Mädchen sagte etwas zu ihr, und sie antwortete verlegen: „Jag förstar inte svenska.“
Die andere sah sie einen Augenblick forschend an, dann wandte sie sich wieder ab und ging ihres Wegs.
Claudia sah zu Karin hinüber, die mitten in einer Schar von Freundinnen stand. Jetzt trat sie aus dem Knäuel heraus und zeigte den andern, wie sie eine rückwärtige Acht machte. Es wurde durcheinander gerufen und gelacht und geredet, und Karin schien ihre Kusine völlig vergessen zu haben.
Nein, so kann ich nicht herumstehen, dachte Claudia. Sie fror ganz entsetzlich. Alle waren jetzt von Karin in Anspruch genommen. Claudia lief vorsichtig auf die andere Seite der Bahn hinüber, wagte sich ein Stück vor -und jetzt kam die Freude über sie, die Freude am Sport um des Sports willen, jenseits aller Konkurrenz. Es war schön, zu spüren, wie die feinen Schlittschuhe federleicht über das blanke Eis glitten, es war schön, zu spüren, wie die Wärme wieder in den Leib zurückkehrte. Claudia wurde mutiger. Sie probierte alle die Figuren, die sie auf der Eisbahn daheim geübt hatte. Es ging gut. Nun, allerdings war sie noch eine Anfängerin, sie konnte sich mit Karin oder Ulla nicht messen, aber sie würde es schon noch lernen!
Jetzt schauten ihr viele nach.
Es kam nicht alle Tage vor, daß ein dreizehnjähriges Mädchen in einem so eleganten Eislaufkostüm auftrat - Ausländerin war sie auch, das war ja beinahe eine Sensation!
Wahrlich, jetzt kam es darauf an, dem Kostüm keine Schande zu machen – und der Nation! Claudia, denk daran, daß du eine Landsmännin von Ria und Paul Falk bist, dachte sie, und dann wurde sie mutiger, lief schneller – oh, es war herrlich, sie sauste richtig –, jetzt machte sie eine scharfe Wendung, wollte die Geschwindigkeit zu einem langen, freien Rückwärtsbogen ausnutzen und -da geschah es!
Plötzlich saß sie da. Pardauz auf ihren vier Buchstaben - o Himmel, wie tat es weh… entsetzlich weh –, Claudia schrie leise auf. Und nun hörte sie etwas Furchtbares – das Gelächter –, das Gelächter über diese Ausländerin, die ankam und sich was auf ihr vornehmes Eislaufkostüm zugute tat und die feinen Schlittschuhe, und die dann aufs Hinterteil knallte wie ein Baby – und obendrein noch heulte!
Es war vielleicht gar nicht so erbarmungslos gemeint, wie Claudia es auffaßte. Vielleicht lachte man nur gutmütig über einen Kameraden, der plötzlich eine komische Figur machte.
Aber die Röte schoß Claudia flammend ins Gesicht, und sie wischte sich mit den Strickhandschuhen die Tränen ab und stemmte sich wieder hoch – und es tat so fürchterlich weh –, gelb und blau mußte sie geworden sein!
Wenn sie sich wenigstens ein Handgelenk oder einen Knöchel verstaucht hätte, dann wären die anderen herbeigestürzt und hätten ihr beigestanden, dann wäre es interessant gewesen – aber mit heilen Gliedmaßen davonzuhumpeln, bloß mit einem schmerzenden Hinterteil – oh, es war so unerträglich lächerlich!
Claudia biß sich auf die Lippen und stolperte in die Garderobe, wo sie in aller Eile Schuhe und Mantel anzog. Sie war so schrecklich unglücklich! Sie wollte nach Hause. Wenn sie wenigstens den Weg wüßte – sie mußte aber auf Karin warten…
Sie schaute durch die Tür. Da kam Karin mit ein paar Gefährtinnen.
„Da haben wir ja Klein-Ria!“ sagte eine laute Mädchenstimme, und dann erscholl ein lautes Gelächter.
Claudia hatte die Worte verstanden. Ihre Wangen brannten vor Scham.
Karin lachte auch. Aber sie lachte in einer gutmütigneckenden Art.
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