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Unsere Oma

Unsere Oma

Titel: Unsere Oma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Kleberger
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die Mutter. »Und ihr bleibt erst einmal draußen!« Damit verschwand sie mit Jürgen im Zimmer und ließ die Kinder vor der Tür stehen. Sie lauschten gespannt. Zuerst hörten sie nur, daß nasse Kleider auf den Boden fielen, aber bald darauf stießen sie sich an.
    »Klatsch«, ertönte es aus dem Zimmer und »aua, aua« und »klatsch« und »bitte niiicht« und »klatsch« und »ich will es ja nie wieder tun« und »klatsch«.
    »Aber Oma!« rief die Mutter, als sie zurückkam und die Tür öffnete.
    »Ich habe ihn nur warm geklopft«, sagte Oma, indem sie Jürgen in ein großes Badetuch hüllte. »Ist das Bad fertig? Hinein mit ihm, und für mich bitte eine große Kanne Tee, damit mein Bauch wieder warm wird.«
    »Auch eine Wärmflasche?« fragte die Mutter.
    »Nein, danke, Kater Fridolin genügt mir.«
    Eine halbe Stunde später klopfte Jürgen zaghaft an Omas Tür. Er trug einen Anzug von Jan und war sehr schüchtern und bescheiden. Am warmen Ofen hingen seine nassen Kleider, darunter standen die Schlittschuhstiefel mit den Spitzen einander zugekehrt. Die Sachen sahen ebenso kläglich aus wie der Junge an der Tür. Scheu sah er in die Stube, die mit Kindern vollgestopft war. Auf der Bank, auf der Leiter zum Boden und auf dem Fußboden hockten sie und schmausten Nüsse und Bratäpfel.
    Oma saß im Lehnstuhl, hatte eine Kanne Tee neben sich und Fridolin auf dem Schoß. Sie sah Jürgen über ihre Brille hinweg an. »Nun?«
    »Ich — ich wollte um Verzeihung bitten.«
    »So, so.«
    »Und dann« — Jürgen wand sich vor Verlegenheit — , »und dann wollte ich fragen, ob mein Vater davon erfahren wird. Dann kriege ich nämlich schreckliche Haue, und das ist doch nicht nötig, weil Sie mich schon verhauen haben.«
    »Da hast du allerdings recht«, sagte Oma. »Du siehst also ein, daß es nötig war?«
    »Ja, sehr nötig«, antwortete Jürgen eifrig.
    »Na gut, dann lassen wir es dabei bewenden. Setz dich hin und laß dir einen Bratapfel geben.«

Peters Tag

    Die ganze Familie war zur Hochzeit von Mutters Schwester eingeladen, nur nicht Peter und das Baby. Peter fand es empörend, daß er nicht mitdurfte und trampelte wütend mit den Beinen.
    »Laß nur, Peter«, sagte Oma, »ich bleibe auch zu Haus. Wir machen uns zusammen einen schönen Tag!«
    Da wurde er still. Ein Tag mit Oma allein war etwas Verlockendes. Niemand würde sie ihm wegnehmen. Wenn er sonst mit ihr im schönsten Spiel war, kam meistens jemand und sagte: »Oma, hilf mir bei den Schularbeiten«, oder »Oma, näh mir bitte den Knopf an!« Jetzt würde er sie einen ganzen Tag lang für sich haben, denn das Baby zählte nicht.
    Als die anderen fort waren, frühstückten Oma und Peter erst einmal gemütlich. Zwischendurch ging Oma eine Weile aus dem Zimmer, weil das Baby schrie.
    Schnell stellte Peter dem Kater Fridolin seinen Teller mit Haferflockenbrei hin. Fridolin schleckte den Brei aus, und als Oma zurückkam, saß Peter wieder auf seinem Platz und hatte den leeren Teller vor sich.
    Oma warf einen kurzen Blick auf Fridolin und sagte streng: »Aber Peter, du hast ja deinen Brei nicht allein aufgegessen!«
    Peter staunte. Konnte Oma hellsehen? Sie gab gleich noch eine Probe ihrer Kunst.
    »Außerdem hast du wieder am Daumen gelutscht!«
    Woher wußte sie das nun wieder? Peter hatte doch nur vorhin aus Trauer über den Abschied von der Familie auf einem gewissen Örtchen genuckelt, wo ihn bestimmt niemand sehen und »Baby« nennen konnte. Rados betrachtete er seine nicht sehr sauberen Hände, an denen nur der Daumen strahlend weiß war. Oma imponierte ihm mächtig. Sie war eine große Zauberin.
    »Nun müssen wir dich aber auch bestrafen«, sagte Oma. Sie überlegte. »Zur Strafe bekommst du heute mittag keinen Spinat.«
    »Ich esse ja gar nicht gerne Spinat!« rief Peter erfreut.
    »Das dachte ich mir. Fast alle kleinen Kinder essen nicht gern Spinat; nur große mögen ihn. Du bist eben noch sehr klein.«
    Peter schwieg betreten. Aber Oma war nicht nachtragend, und bald schwatzten sie beide vergnügt. Nach dem Frühstück wurde das Baby gewickelt. Er guckte interessiert zu, wie Oma es aus dem Bettchen hob. Bis jetzt hatte er es nur immer im Wickeltuch gesehen.
    »Oma, hat unses Baby auch Beine?« fragte er.
    »Unser Baby, heißt es«, verbesserte ihn Oma. »Guck selber, ob es Beine hat!«

    Es hatte welche, winzige und rosige, die mächtig strampelten. Und wie winzig waren erst die Zehen! Das Baby war süß, aber es hatte zwei Eigenschaften, die Peter

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