Unsere Oma
mißfielen. Es roch nicht appetitlich, und es schrie, daß einem das Trommelfell dröhnte.
»Könnten wir nicht einen Korken reinstecken?« meinte er.
»Wo?« fragte Oma.
»Oben, damit es aufhört zu schreien.«
»Laß nur, es wird gleich aufhören.« Nachdem Oma das Baby frisch eingepackt hatte, nahm sie es auf den Schoß und gab ihm die Flasche. Behaglich schmatzend trank es, schrie nicht mehr und roch auch nicht mehr unangenehm. Peter fand es wieder sehr süß.
Danach fütterten sie die Vögel. Oma hatte vor ihrem Fenster ein Vogelhäuschen, in das sie Futter streuten. In ein Schälchen unter dem Apfelbaum legten sie Erdnüsse. Vom Fenster aus beobachteten sie dann, wie Grünfinken und Spatzen herbeikamen und sich im Futterhäuschen drängelten. Ein paar zierliche Blaumeisen wagten sich nur zaghaft heran und stahlen flink zwischen den streitsüchtigen Finken ein Körnchen. Schließlich kam ein dicker bunter Dompfaff und jagte sie alle fort. Mit seinem breiten Schnabel zerkrachte er mit Behagen die Sonnenblumenkerne. Am Schälchen unter dem Apfelbaum aber saß ein Eichhörnchen, holte sich mit den Pfötchen Erdnüsse heraus und schmauste.
Nun mußte Oma Windeln waschen und Essen kochen. Peter ging in den Garten und begann, einen Schneemann zu bauen. Er mühte sich ab, einen recht dicken Bauch zustande zu bringen. Nach einer Weile kam Frieder mit dem Schulranzen auf dem Rücken und half ihm, und bald stand eine stattliche weiße Gestalt unter dem Apfelbaum. Dieser Schneemann aber wurde eine Schneefrau mit einer Mohrrübennase, schwarzen Kohlenaugen, Omas Strohhut auf dem Kopf und ihrem Regenschirm in der Hand.
Als Oma im Garten erschien, erkannte sie sich sofort. »Das bin ja ich. Wie ähnlich ich geworden bin! Sogar die rote Nase ist da. Nur der Bibi fehlt noch!«
Der Bibi war ein schmaler Pelzkragen, den Oma trug, wenn sie sich fein machte. Peter wollte ihn holen, aber Oma hielt ihn zurück. Sie nahm die Erdnüsse aus dem Schälchen, legte ein paar vor die Schneefrau und die anderen auf den Strohhut. Dann ging sie mit Peter ins Haus. Bald sahen die beiden durchs Fenster, wie das Eichhörnchen erschien. Als es sein Schälchen leer fand, hüpfte es zu der Schnee-Oma, fraß die Nüsse zu ihren Füßen, kletterte dann am Regenschirm nach oben und thronte schließlich knabbernd auf dem Hut. Den Schwanz hatte es wie einen hübschen, rostroten Pelzkragen um die Schultern der Schneefrau gelegt. »Siehst du!« sagte Oma.
Zum Mittagessen stellte sie für sich und Peter je einen Teller mit Setzei und Kartoffeln hin. Aus der Schüssel mit Spinat füllte sie sich allein auf.
Peter schluckte. »Ich würde auch ganz gern mal Spinat versuchen.«
Oma schüttelte den Kopf. »Du bist noch zu klein.«
Peter aß sein Ei. Es wollte ihm gar nicht so recht schmecken. Sonst mochte er Spinat gar nicht, aber plötzlich hatte er richtig Appetit darauf.
»Ich bin doch gar nicht mehr so klein, wenn ich eine Schnee-Oma bauen kann.«
»Da hast du allerdings Recht. Versuchen wir’s! Wenn er dir schmeckt, bist du größer, als ich dachte.«
Peter füllte sich den Teller voll. »Mm, schmeckt gut«, meinte er, während er ihn leer aß.
»Sieh mal einer an, so erwachsen bist du schon!« sagte Oma.
Nach dem Essen versorgte sie das Baby. Dann lief sie in ihrem Zimmer eine Stunde Rollschuh. Peter fuhr mit seinem Dreirad hinter ihr her, Danach hielten sie Mittagsruhe auf Omas Schlafboden.
Oma legte sich ins Bett, und Peter durfte mit Kater Fridolin in der Hängematte liegen. Es war sehr gemütlich. Oma schnarchte sanft. Die Hängematte schwang leise hin und her, und bald schlief Peter auch.
Am Nachmittag gingen sie »konditorn«, wie Oma es nannte, wenn sie im Dorf in der kleinen Konditorei Kuchen essen gingen. Das kam nicht oft vor, denn bei sechs Kindern konnten sich Pieselangs diesen Luxus nur selten leisten. Aber heute war ein besonderer Tag.
»Zieh den guten Anzug an«, sagte Oma.
»Du mußt mir helfen«, bat Peter.
»Kannst du dich immer noch nicht allein anziehen?«
»Nein, dazu bin ich noch zu klein.«
Oma half ihm schweigend. Dann marschierten sie durch die frische Winterluft. Oma schob den Kinderwagen. Sie war sehr fein angezogen und hatte den Bibi um den Hals.
In der Konditorei bestellte Oma für sich Kaffee und Apfelkuchen und für Peter Kakao und einen Mohrenkopf mit Schlagsahne. Der Kinderwagen stand neben ihrem Tisch; das Baby schlief. An den Nachbartischen saßen mehrere alte Damen.
Auf einmal sagte Peter:
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