Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unsere Oma

Unsere Oma

Titel: Unsere Oma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Kleberger
Vom Netzwerk:
hatten rote Backen und glänzende Augen und steckten in langen, mit Rüschen und Spitzen besetzten Kleidern. Oma zeigte Gisela gerade, wie man mit einer Schleppe umgeht. Gisela sah gar nicht mehr gelangweilt aus, sondern sehr vergnügt. Nun drehte Oma mit einer Kurbel ihr uraltes Grammophon auf. Die ersten Töne kamen blechern aus dem Trichter.
    »Zuerst einen Walzer!«
    Den hatten sie in der Tanzstunde gelernt, obgleich sie ihn alle nicht so gut konnten wie Oma, die sich leicht wie eine Feder in Axels Arm wiegte. Nach dem Walzer kam eine Polka und dann eine Quadrille und wieder ein Walzer und noch eine Polka. Die Herren wirbelten ihre Damen umher, daß ihre langen, weiten Röcke flatterten und sie ganz außer Atem kamen. Auf der Leiter zu Omas Schlafboden saßen Jan, Brigitte, Peter und der Kater Fridolin, einen Teller mit Kuchen zwischen sich und schauten zu. Paulchen rief aus seinem Käfig, in den er sich vorsichtshalber zurückgezogen hatte: »Bravo, bravo!«
    Schließlich veranstaltete Oma eine Polonäse. Im langen Zug ging es durch das ganze Haus.
    Als Lehrer Pieselang mit seiner Frau und Ingeborg von dem Musikabend zurückkehrte, fanden sie alle Zimmer leer, aber überall brannte Licht.
    »Sind die Gäste schon fort?« fragte die Mutter beunruhigt. »Wo sind denn die Kinder und Oma?« Vom Wäscheboden drang jetzt ein Rumoren herab. Der Lärm wurde lauter, schließlich sehr laut. Die Treppe herunter kam ein langer Zug; voran Brigitte und Jan, die auf Kämmen bliesen, dann der lange Joachim mit Omas lila Strohhut. Peter, der im Nachthemd auf seinen Schultern saß, schlug im Takt zwei Topfdeckel aneinander. Hinter ihnen fegte im Polkaschritt die ganze Schar laut singend an den Lehrersleuten vorbei, mittendrin Oma. Zum Schluß kam Heiner mit seiner Gisela. Ihre Augen blitzten, und das aufgelöste Haar wehte wie eine Fahne hinter ihr her.
    Auch Oma sah aufgelöst aus. Lehrer Pieselang blickte ihr kopfschüttelnd nach.

    »Das nennt sich nun Anstandsdame! Morgen klagt sie dann wieder über Rheumatismus.«
    Beim Abschied versicherten alle einmütig, sie hätten noch niemals eine so schöne Party erlebt. Heiner strahlte. Später sagte Oma zu ihm: »Deine Gisela hatte unter ihrer Frisur auch einen falschen Zopf, genau wie ich. Ich bin doch eine sehr moderne Frau.«
    »Das bist du!« sagte Heiner und wollte ihr einen Kuß auf die rechte Backe geben.
    »Nimm lieber die linke«, sagte Oma. »Rechts hat mich dein Freund Axel schon geküßt.«

Winterfreuden

    Es war Winter. Ein paar Tage lang war ein eisiger Wind über das Land gebraust und hatte den Schnee von der Eisdecke des Sees gefegt. Immer noch war es kalt, aber der Wind hatte sich gelegt, und die Sonne schien. Oma und Peter befanden sich auf dem Wege zum See. Sie zog den Jungen auf einem Schlitten hinter sich her. Beide trugen von Oma gestrickte Pudelmützen und lange Schals, Peter in Rot und Oma in Grün. Oma hatte an einer Schnur einen großen Muff um den Hals hängen. In der linken Hand trug sie ihre Schlittschuhe und den Regenschirm. Lehrer Pieselang, der ihnen begegnete, musterte sie mißbilligend.
    »Du willst Schlittschuh laufen? Bist du nicht etwas zu alt dafür? Und die Mütze finde ich auch zu jugendlich für dich.«
    »Man ist so jung, wie man sich fühlt«, erwiderte Oma, und da es gerade bergab ging, setzte sie sich zu Peter auf den Schlitten.
    »Aber was willst du mit dem Regenschirm?« rief der Lehrer ihr noch nach.
    »Man weiß nie, wozu man ihn gebrauchen kann!« antwortete Oma im Davonsausen.
    Auf dem See herrschte ein reger Betrieb. Es wimmelte von Kindern. Brigitte, mit blauem Schal und blauer Mütze, machte ihre ersten Versuche auf Schlittschuhen und stakste knickebeinig einher. Mehr als fünf Schritte schaffte sie noch nicht, dann saß sie auf dem harten Eis. Jan, der einen gelben Schal und eine gelbe Mütze trug, kam wie der Wind dahergebraust und hielt mit einer eleganten Wendung vor Oma an.
    »Nice to see you, old girl!« rief er und war schon wieder fort. Der dicke Frieder folgte ihm ruhig und unbeirrt mit den Händen in den Hosentaschen wie eine kleine Dampfwalze. Jürgen, der Sohn des Bürgermeisters, bemühte sich, einer Gruppe von Mädchen mit seinen Künsten zu imponieren. Sie bewunderten seine neuen Schlittschuhstiefel. Aber als er bei einem Versuch, eine Acht zu drehen, auf die Nase fiel, stoben sie kichernd davon.
    Nachdem Oma ihre Schlittschuhe angeschraubt hatte, glitt sie auf das Eis. Die Kinder bildeten einen Kreis um sie und

Weitere Kostenlose Bücher