Unsere Oma
Gardinenstangen und Lampen. Die Kinder waren begeistert, auch Peter, der kleine Tiere sehr gern mochte. Nur die großen waren ihm unheimlich, besonders die Elefanten. Obgleich das Haus so interessant war, trieben sich Jan und Brigitte den ganzen nächsten Tag draußen zwischen den Tiergehegen herum, schlossen Freundschaft mit den Wärtern und kamen nur kurz zum Mittagessen herein. Peter blieb lieber bei Oma und Ingeborg, saß in der Küche auf dem Fensterbrett, baumelte mit den Beinen und beobachtete Paulchen, der sich mit der Schildkröte Berta angefreundet hatte. Der Wellensittich ließ sich auf ihrem Rücken herumtragen und schwatzte munter vor sich hin. Manchmal flötete er zärtlich: »Berta, Küßchen geben!« Wenn Berta dann ihren Kopf aus der Schale steckte, hieb er ihr kräftig mit dem Schnabel auf die Nase.
Beim Mittagessen war Brigitte still, weil sie sich vor dem Onkel fürchtete, aber Jan erzählte unbefangen von seinen Erlebnissen. Der Onkel aß schweigend mit gerunzelter Stirn sein Kotelett.
»Hier ist ein Zebra, das hat nur vorne Streifen, hinten nicht«, sagte Jan.
»Das ist kein Zebra, das ist ein Quagga, ein seltenes Tier«, brummte der Onkel.
»Wo ist es her?« fragte Jan.
»Aus Afrika.«
»Hast du es selbst gefangen?«
»Nein, ein Afrikaforscher hat es mitgebracht.«
»Aber du warst doch auch in Afrika.«
Der Onkel nickte.
»Hast du dort viele wilde Tiere gefangen?«
Der Onkel räusperte sich. Als er Omas Blick auf sich gerichtet sah, knurrte er: »Mußt du beim Essen immer schwatzen?«
»Erzählst du mir später von Afrika?« bat Jan.
»Ja, ja«, sagte der Onkel ungeduldig.
Auch am Nachmittag hatten Oma und Ingeborg eine Menge im Haus zu tun. Aber nach dem Abendbrot sagte Oma: »Jetzt will ich mir den Zoo auch einmal ansehen.«
Jan und Brigitte wußten nun schon gut Bescheid. Sie hakten Oma unter und zeigten ihr, wo die Affen und die Bären, die Vögel und die Seehunde wohnten. Ingeborg folgte mit Peter an der Hand. Als sie um eine Ecke bogen, standen sie plötzlich vor einem großen Elefanten. Zwischen Peter und dem Tier war ein niedriger Zaun und ein tiefer Graben, aber er sah nur die mächtigen Beine, die wie Säulen aufragten, den großen Kopf mit den gewaltigen Stoßzähnen und den langen, langen Rüssel. Der Elefant war so groß und Peter so klein. Ängstlich kniff er die Augen zu. So konnte er nicht sehen, daß der Wärter mit dem großen Tier ein paar Kunststücke übte. Er hörte nur, wie Jan und Brigitte lachten. Sie lachten so vergnügt, daß er vorsichtig ein Auge aufmachte, gleich danach aber auch das andere aufriß. Es sah zu komisch aus, wie der Dickhäuter auf einem runden Podest einen Handstand machte. Dann ließ der Wärter ihn ein paar Schritte auf den Hinterbeinen gehen. Schließlich machte der Elefant mit seinem Rüssel eine Schleife, der Wärter setzte sich hinein und wurde sanft hochgehoben. Nach jedem Kunststück gab es ein paar Stückchen Zucker. Der Elefant schien sich über den Beifall der Zuschauer zu freuen. Es sah aus, als ob er lachte.
Auf einmal schwenkte sein langer Rüssel über den Zaun, senkte sich herab und ergriff Peters rote Mütze. Peter war starr vor Schreck. Seine schöne neue Mütze! Dort schwebte sie, in dem hoch erhobenen Rüssel des riesigen Tieres, das ihnen jetzt den Rücken zudrehte. Der Wärter kam herbeigeeilt, aber schon hatte Oma sich weit über den Zaun gebeugt und pikte den Elefanten mit ihrem Schirm ins Hinterteil. Schwerfällig drehte er sich um.
»Hör mal«, sagte Oma zu ihm, »das ist aber nicht nett von dir. Sieh mal, wie traurig Peter ist!«
Wirklich kullerten zwei dicke Tränen über Peters Backen. Der Elefant blinzelte mit seinen kleinen Augen auf ihn hinunter.
»Gib die Mütze wieder her!« bat Oma.
Im nächsten Augenblick ließ das Tier die Mütze vor ihre Füße fallen, und Peter setzte sie hastig wieder auf.
»Entschuldigen Sie nur«, sagte der Wärter, »er ist heute so übermütig.«
Der Elefant tat, als wäre nichts geschehen. Er stampfte zu dem Wasserbecken hinüber und sprühte sich Wasser ins Maul. Dann füllte er den Rüssel von neuem und kam zum Gitter zurück.
»Vorsicht«, rief der Wärter, »er wird spritzen!«
Jan, Brigitte und Ingeborg sprangen zurück, aber Oma und Peter, der sich an ihren Rock klammerte, blieben stehen. Oma öffnete ihren Regenschirm, und die Dusche ergoß sich auf das schwarze Dach. Wieder mußten alle herzlich lachen, vor allem über das erstaunte Gesicht des Elefanten.
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