Unsere Oma
Er hob den Rüssel in die Höhe und wackelte mit den Ohren.
»Er sagt, du sollst es ihm nicht übelnehmen, es war nur ein Scherz«, erklärte Oma. »Er möchte so gern dein Freund sein.«
»Hat er das gesagt?« fragte Peter erstaunt. »Ich habe gar nichts gehört.«
»Die Elefanten sprechen mit den Ohren, dem Schwanz und dem Rüssel.«
»Und du kannst sie verstehen?«
»Ja«, sagte Oma, »und wenn du öfter mit ihm zusammen bist, wirst du es auch lernen.«
»Hat er wirklich gesagt, daß er mein Freund sein möchte?«
»Ja.«
Peter wurde rot vor Stolz.
»Bist du ihm noch böse?« fragte Brigitte.
Peter schüttelte den Kopf. Als sie sich zum Gehen wandten, rief er dem Elefanten ein schüchternes »Gute Nacht!« zu. Auf dem Heimweg war er schweigsam. Auch die anderen lauschten den Tierstimmen in den Gehegen. Aus einem Vogelkäfig drang ein süßes, trillerndes Lied und endete in einem verträumten Flöten. Die Tiere legten sich zum Schlafen nieder. Nur im Bärenzwinger balgten sich noch zwei junge Braunbären, bis ihre Mutter dem Spiel mit einem Tatzenschlag ein Ende machte.
Als Ingeborg Peter ins Bett gebracht und zugedeckt hatte, richtete er sich noch einmal schlaftrunken auf und flüsterte: »Ich habe noch nie einen so großen Freund gehabt!«
Von da an besuchte Peter seinen neuen Freund jeden Tag. Anfangs mußte Oma ihn begleiten. Sie saßen zusammen auf einer Bank vor dem Elefantengehege und hatten lange Gespräche mit dem Dickhäuter. Er erzählte ihnen, daß er aus Afrika stamme und als Elefantenbaby dort gefangen worden sei, daß er zuerst große Sehnsucht nach seiner Mutter gehabt habe, sich jetzt aber im Zoo sehr wohl fühle, daß er seinen Wärter und den Onkel Ludi sehr liebhabe. Er sagte, daß er gern Heu und Reis äße, aber am allerliebsten Zucker.
Eines Tages streckte Peter ihm auf der flachen Hand ein Stück Zucker entgegen. Ganz zart holte es sich der Elefant mit seinem langen Rüssel. Und wie er hinterher lachte! Seine kleinen Äuglein funkelten vor Vergnügen. Jeden Tag brachte Peter ihm danach sein Stück Zucker. Bald sonderte sich das große Tier von den anderen Elefanten ab, sobald es von weitem Peters rote Mütze leuchten sah, und streckte den Rüssel verlangend über den Zaun. Die Besucher und besonders die Kinder staunten Peter an.
Das Affenkind
Nach kurzer Zeit hatten sich Pieselangs im Zoo eingelebt. Oma und Ingeborg teilten sich in die Hausarbeit. Brigitte verbrachte fast den ganzen Tag im Kinderzoo, wo Tiermütter mit ihren Jungen untergebracht waren: eine dicke Sau mit zappelnden, rosigen Ferkeln, Schafe mit niedlichen Lämmern und Ziegen mit Zicklein. Es gab dort junge Kaninchen, Goldhamster, Enten- und Hühnerküken. Brigittes Liebling war ein Eselfohlen, das mit Vorliebe an ihrem Rock knabberte. Sie half dem Wärter, die Ställe auszumisten und hielt die Tiere fest, wenn sie gesäubert wurden. Sie streute ihnen Futter hin und paßte auf, daß auch die schwächeren zu ihrem Recht kamen.
Jan folgte dem Onkel wie ein kleiner Hund auf seinen Inspektionsgängen. Er ließ sich von dem brummigen Wesen des alten Herrn nicht einschüchtern und fragte immer wieder nach den Tieren und nach den Reisen des Onkels. Zuerst erhielt er nur widerwillig Antwort, aber mit der Zeit wurden die Auskünfte ausführlicher, und manchmal entwickelten sich daraus spannende Erzählungen. Schließlich durfte Jan dem Onkel sogar bei den Tieren helfen. Er durfte zum Beispiel einen Marder festhalten, der erkrankt war und untersucht werden mußte. Onkel Ludi zeigte ihm, wie er es am geschicktesten machte, um dem Tier nicht weh zu tun und nicht gebissen zu werden. Mit den Tieren war der Onkel nie knurrig, sondern immer freundlich, ruhig und sanft. Fast alle Tiere liebten ihn.
Eines Morgens, bevor der Zoo geöffnet wurde, lief Oma auf dem Kinderspielplatz Rollschuh. Als der Onkel vorbeikam, blieb er stehen und schüttelte den Kopf. Oma kam mit einem Bogen herangefahren.
»Warum wackelst du mit dem Kopf, Ludi?« fragte sie. »So alt bist du doch noch nicht.«
»Ich schüttele den Kopf darüber, daß du noch solche Kindereien treibst in deinem Alter«, antwortete der Onkel.
»Rollschuhlaufen ist keine Kinderei, es ist ein sehr gesunder Sport.«
»Sogar die Affen wundern sich darüber«, sagte der Onkel und zeigte zum Affenkäfig, wo neugierige kleine Gesichter durch die Stäbe guckten. Ein dicker Orang-Utan klatschte in die Hände und grinste begeistert.
»Wo steckt eigentlich Jan, der
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