Unsere Oma
heraus und wollte das Tor zuschließen. »Bitte, lassen Sie uns ein!« sagte Oma.
»Tut mir leid, meine Dame, wir schließen jetzt. Die Tiere müssen auch mal ihre Ruhe haben.«
»Ich bin die Schwester von Herrn von Haselburg und möchte ihn besuchen.«
»Oh, die Schwester vom Herrn Direktor!« Der Wärter machte eine Verbeugung. »Bitte, treten Sie ein. Und das Kindervolk, gehört das auch zu Ihnen?«
»Ja, es sind meine Enkelkinder.«
So öffnete sich das Tor vor ihnen, und beneidet von den Kindern, die eben hinausgeschickt worden waren, betraten sie den Zoo.
»Bleibt stehen und riecht erst einmal«, sagte Oma.
Sie schnoberten wie die Pferde; ein wilder, erregender Geruch drang in ihre Nasen. Sie hörten es wispern und schnattern und miauen. In der Ferne brüllte ein Raubtier.
Der Wärter hatte das Tor hinter ihnen zugeschlossen.
»Bitte, hier entlang«, sagte er und ging ihnen voran.
»Dort sind die Elefanten!« rief Jan und zeigte nach rechts.
»Ich will sie nicht sehen!« Peter kniff die Augen zu, klammerte sich an Omas Rock und ließ sich mitziehen. Jan guckte in jeden Käfig hinein und blieb bald zurück. Brigitte hielt sich dicht an Oma. Sie fand es schön, die Tiere undeutlich in der Dämmerung zu sehen, sie zu hören und zu riechen; es war aufregend und geheimnisvoll. Aber sie war doch froh, Oma neben sich zu haben. Vor einem hübschen weißen Haus, das Kästen mit bunten Blumen vor den Fenstern hatte, hielt der Wärter an.
»Das Direktorhaus«, sagte er mit einer Verbeugung. »Gute Nacht und einen schönen Aufenthalt im Zoo!«
Ingeborgs Herz klopfte, als Oma die Tür des Hauses öffnete. Ein Glockenspiel erklang.
»Wer ist da?« rief eine Männerstimme. Ein alter Herr mit einem weißen Spitzbart guckte durch eine Tür.
»Deine Schwester ist da, lieber Ludi!« rief Oma mit heller Stimme.
Der alte Herr verzog das Gesicht, als ob er Zahnschmerzen hätte. »Ludi!« brummte er. »Kannst du dich nicht endlich daran gewöhnen, mich Ludwig zu nennen? Ich bin doch kein Kind mehr.«
»Du wirst immer mein kleiner Bruder bleiben«, sagte Oma und küßte ihn auf die Wange.
»Na ja«, meinte er, »ist schön, daß man dich mal wiedersieht, und hab Dank, daß du mir den Haushalt führen willst.«
Dann erblickte er Ingeborg. »Aber wer ist denn diese junge Dame?«
»Das ist meine Enkelin Ingeborg. Sie wird mir im Haushalt helfen.«
»Na, dann kommt herein«, sagte er. Doch plötzlich fuhr er herum. Eine Kinderstimme rief: »Eine Schildkröte!«
Brigitte kniete auf dem Fußboden und streichelte den harten, runden Rücken des drolligen Tieres, das unter einem Sofa hervorgewackelt kam.
»Wie kommt das Kind hier herein?« fragte der alte Herr.
»Es ist auch eine Enkelin von mir«, antwortete Oma heiter.
»Du hast sie mitgebracht, obgleich du genau weißt, daß ich Kinder nicht mag?«
»Aber Ludi, Brigitte ist solch ein liebes kleines Mädchen.« Oma stellte den Käfig mit Paulchen auf den Tisch, legte Handtasche und Regenschirm daneben und fing an, sich die Handschuhe auszuziehen. Als sie sich dabei etwas zur Seite drehte, guckte hinter ihrem Rücken Peters rote Mütze hervor.
»Da ist ja noch jemand«, rief der Onkel und zog Peter zu sich heran. »Und blind ist er auch!«
»Er ist nicht blind. Er macht nur die Augen zu, weil er Angst vor den Elefanten hat.«
»Ein Neffe von mir hat Angst vor Elefanten, du liebe Zeit!« jammerte der Zoodirektor.
Oma nahm Peter an die Hand. »Mach die Augen auf, Liebling, dein Onkel ist kein Elefant, wenn er auch manchmal so tut.«
»Er hat ja einen Ziegenbart!« rief Peter blinzelnd. Hastig packte Ingeborg ihn und Brigitte. »Ihr müßt euch erst einmal waschen«, sagte sie und führte die beiden hinaus.
»Angelika«, sagte der Onkel kopfschüttelnd zu Oma, »du hast dich nicht verändert.«
Da wurde die Tür aufgerissen. Jan stürmte herein und rief: »Oma, in der Badewanne schwimmt ein Alligator!«
Der Onkel betrachtete ihn über seine Brille hinweg. »Vorhin war es doch ein Mädchen«, sagte er verwirrt.
»Es sind zwei Jungen und zwei Mädchen«, erwiderte Oma fest. »Aber nun muß ich mir den Alligator angucken.« Und hinter Jan her lief sie zur Tür hinaus.
Der Onkel sank stöhnend in einen Sessel.
Der große Elefant
Das Haus war voller Überraschungen. Überall traf man auf Tiere. Sie kamen einem entgegen, wenn man eine Schublade aufzog oder eine Schranktür aufmachte. Sie lagen zusammengerollt unter den Betten und auch darin. Vögel hockten auf
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