Unsichtbar und trotzdem da - 01 - Diebe in der Nacht
befand sich mindestens vier Zentimeter höher über der Bodenleiste als die linke.
„Warst du das?“, fragte Jenny leise weiter. „Hast du das Bild berührt, als du den Alarm ausgelöst hast?“
„Nein, bestimmt nicht!“
Jenny schüttelte den Kopf. „Merkwürdig. Okay, Jungs, lasst uns hier verschwinden. Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat. Aber eins ist mir jetzt auch klar: Irgendwas ist hier im Busch!“
Sie hatten Glück: Kein Wärter begegnete ihnen auf ihrem Weg aus dem Museum.
„Und, was fangen wir jetzt mit unserem Wissen an?“, erkundigte sich Ağan, als sie die runden Steintreppen vor dem Eingang hinuntergingen.
„Kein Museumswärter hängt absichtlich ein Bild schief“, meinte Jenny.
„Wenn er das überhaupt war“, hielt Addi ihr vorsichtig entgegen. Er war froh, dass seine neuen Freunde ihn endlich ernst nahmen.
„Die Frage ist also: Warum hängt das Bild schief?“, folgerte Ağan. „Und seit wann. Und was hat das mit der Geisterstimme zu tun oder was für eine Stimme es auch immer war.“
In diesem Moment klangen quer über den Fluss laute Glockenschläge hinüber.
Jenny sah auf ihre Uhr. „Leute!“, rief sie. „Ich muss weg. Meine Mutter hat längst Feierabend. Wenn sie zu Hause lange auf mich warten muss, macht sie sich Sorgen.“
Addi hielt sie am Ärmel fest. „Aber wir können doch jetzt nicht einfach aufgeben, wo wir …“
„Wo was?“, fragte Ağan. „Wo wir einem Geheimnis auf der Spur sind?“
„Ja“, sagte Addi. „Genau.“
„Okay“, nickte Jenny. „Ich würde auch weiterforschen.“
Ağan lächelte. „Ja. Deswegen haben wir uns doch heute überhaupt kennengelernt: um das Geheimnis zu lösen.“
„Wie kommst du denn darauf?“, erkundigte sich Addi.
„Das fühle ich“, antwortete Ağan. „Wie ein Stadt-Dschinn. Wirkennen uns eigentlich gar nicht, aber nach diesem Tag habe ich trotzdem das Gefühl, als würde ich euch schon lange kennen. Ich glaube, das ist Seelenverwandtschaft.“
Addi sah ihn verständnislos an.
„Freundschaft“, erklärte Ağan. „Nach dem heutigen Tag sind wir mindestens schon Halbfreunde. Und deswegen bin ich auch dafür, dass wir uns morgen wieder treffen und beraten, wie wir weitermachen. Heute ist Freitag, ich habe morgen keine Schule. Was ist mit euch?“
„Ich auch nicht.“ Jenny zuckte die Schultern. „Aber was ist ein Stadt-Dschinn?“
„Nun, er ist kein Wasser- und kein Wüsten-Dschinn.“ Ağan sah zu Addi.
„Äh, ich kann auch“, sagte der. „Aber um zwei habe ich eine Tennisstunde.“
„Du spielst Tennis?“, fragte Jenny.
„Ja, mein Vater will das“, antwortete Addi etwas verlegen.
„Rede keinen Unsinn, das macht doch Spaß.“
Addi grinste. „Oh, wenn ihr wollt, könnt ihr gerne mitmachen. Mein Lehrer Gernot sagt immer, ich darf auch Freunde mitbringen.“
„Und hast du das noch nie gemacht?“, wollte Ağan wissen.
„Nein“, lächelte Addi. „Ich kannte noch keinen Stadt-Dschinn.“
Ağan lachte hell auf. „Du hast Humor, Addi. Das ist bei einem Freund noch besser als großer Reichtum.“
„Reichtum“, wiederholte Addi verächtlich.
„Okay“, erklärte Jenny rasch. „Dann kommen wir morgen bei dir vorbei. Ich finde Tennis ultracool.“
„Oh, nee“, stöhnte Addi. „Ein sportliches Mädchen und ein Stadt-Dschinn. Aber geht Ordnung: Um zwei bei mir.“ Er gab den beiden seine Adresse. Ağan schrieb er sie auf den Handrücken und Jenny merkte sie sich im Kopf.
„Bis morgen dann, ihr unsichtbaren Affen“, verabschiedete sich Ağan.
„Wie hast du da eben gesagt?“, fragte Addi. „Unsichtbar-Affen?“
Ağan nickte. „Ja, weil der Wärter uns Affen genannt und rausgeworfen hat, aber wir sind trotzdem da – nur unsichtbar!“
Jenny kicherte. „Der Name passt gut zu euch beiden, so wie ihr euch heute früh aufgeführt habt. Unsichtbar-Affen!“
„Aber du gehörst auch dazu“, lachte Ağan. „Jeder von uns ist ein Unsichtbar-Affe.“
„Ja?“, fragte Jenny und wurde etwas rot.
„Ja“, grinste Addi. „Unsichtbar-Affen, alle drei!“
Am Tag darauf standen Ağan und Jenny kurz vor zwei bei Addi vor der Tür. FELSFISCH, stand auf dem Klingelschild, und Ağan musste so sehr über den Namen lachen, dass er sich fast an dem Croissant verschluckte, das er sich beim Bäcker neben der U-Bahn-Station geholt hatte.
„Das ist ein lustiger Name“, verkündete er.
Jenny, die mit Nachnamen nur ganz normal Schneider hieß, nickte. Aber ein bisschen beneidete sie
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