Unsichtbar und trotzdem da - 02 - Unter der Stadt
Goffi“, flüsterte Ağan. „Du klaust jetzt nicht mehr. Du wirst ein ehrlicher Affe!“
Addi streckte die Hand aus und kraulte das Äffchen an den Ohren. „Also, sagen wir mal so, Goffi: Du klaust nur, wenn wir es dir ausdrücklich sagen. Ganz musst du nicht damit aufhören. Esist schließlich das Einzige, was du gelernt hast.“ Er wandte sich wieder an Ağan und Jenny. „Wir dürfen es ihm nicht völlig verbieten. Das wäre so, als müssten wir die ganze Zeit den Mund halten, obwohl wir sprechen können.“
Jenny grinste. „Was besonders dir schwerfallen dürfte …“
Im Tunnel, aus dem die U-Bahnen in die Station einfuhren, rumpelte es. Addi drehte sich um und sah über die Rückenlehne der Wartebank. Was am Ende dieses Tunnels lag, war von hier nicht zu erkennen. Wenn die Bahn kam, waren zuerst nur die Scheinwerfer zu sehen, dann schälte sich langsam der Umriss des Führerwaggons aus dem Dunkel und zuletzt wurde darin auch der Fahrer sichtbar, der in seiner blauen Uniform hinter der Scheibe saß.
Der Fahrer im Führerhaus war ein dicker Mann mit einem Bart.
Ağan lugte ebenfalls über die Rückenlehne. „Mein Fahrer sah anders aus“, flüsterte er. „Er war viel jünger und hatte glatt zurückgekämmte Haare. Außerdem war er ganz hager.“
„Und was meint Goffi zu dem hier?“, erkundigte sich Jenny, die inzwischen auch über die Lehne schielte.
Der Klammeraffe zeigte keinerlei Regung.
„Nein“, bestätigte Ağan. „Dieser Mann ist nicht der Dschinn.“
Die drei zogen die Köpfe zurück und sanken wieder auf ihre Wartebank.
„Mir ist echt langweilig“, stöhnte Addi. „Jetzt sind schon mindestens zehn Züge hier ein- und ausgefahren. Dieser blöde Dschinn könnte sich wirklich mal zeigen.“
„Stimmt“, fand Jenny. „Das Warten macht echt mürbe. Aber wisst ihr was, dann machen wir eben Schularbeiten.“
Addi fuhr herum. „Wieso das denn?“
„Na, wir hören ja wohl auch so, wenn der nächste Zug kommt. Und statt hier nur doof rumzusitzen, können wir besser was tun.“
„Aber Jenny“, rief Ağan. „Wenn der Dschinn mich sieht und ich abgelenkt bin, lässt er sich bestimmt was sehr Fieses einfallen, um mich zu kriegen!“
„Umso besser“, meinte Jenny ungerührt. „Dann sind Schularbeiten ja genau die richtige Falle für ihn. Denn wenn er was unternimmt, merken wir sofort, dass er es ist.“
„Was macht so ein Dschinn eigentlich mit dir, wenn er dich entführt hat?“, fragte Addi.
„Du musst dann da leben, wo er lebt“, antwortete Ağan.
„Und wo ist das?“
„Na, da, wo er eben will“, sagte Ağan. „Dschinns können überall leben. In Schatzhöhlen oder im Dschungel oder in der Geisterwelt.“
Addi horchte auf. „Dann muss es ja nicht schlecht sein, bei einem Dschinn zu leben.“
Jenny lachte laut auf. „Ja, wenn man das freiwillig tut. Aber nicht, wenn du geklaut wirst. Dann ist das Freiheitsberaubung.“
„Genau!“, rief Ağan. „Dann muss ich da leben, wo er will. Und eins sage ich euch, es ist ein brutales Gefühl, in eine U-Bahn zu steigen und die fährt überhaupt nicht dahin, wo du hinwillst, sondern biegt mitten auf der Strecke einfach mal ab. Und dann auch noch in einen dunklen Tunnel …“
Addi nickte. „Stimmt.“ Er stand auf, stiefelte um die Wartebank herum und ging näher an den Tunnel heran, aus dem der nächste Zug kommen würde. „Das ist wirklich eine gemein brutale Sache. Und deswegen sollte dieser Kinderentführer sich jetzt endlich mal zeigen, damit wir ihn schnappen können.“
„Detektiv sein heißt warten“, seufzte Jenny. „Also, Leute, ich mache jetzt jedenfalls meine Hausaufgaben.“
„Okay“, stimmte Ağan zu. „Vielleicht locken wir den Dschinn so ja wirklich an.“ Addi stöhnte unwillig. Aber dann ging er wieder zu seinen Freunden und griff ebenfalls nach seiner Tasche.
Kurz darauf blätterten die Unsichtbar-Affen in Schulbüchern und schrieben in Hefte. Genauer gesagt, las und schrieb Jenny gleichzeitig, Ağan fütterte Goffi und schrieb dabei, und Addi schlug flatternd die Seiten in einem Geografiebuch um. Dabei trommelte er mit den Fingern auf der Holzbank und summte leise vor sich hin.
„Komm schon, Geisterzug, komm schon, Geisterzug …“
Schließlich sah Ağan auf. „Kannst du bei dem Gesinge echt noch lesen?“
„Na klar“, sagte Addi. „Ich singe immer beim Lesen.“
„Du singst, wenn du liest?“, fragte Jenny ungläubig.
„Ja, ich singe so vor mich hin“, erklärte Addi. „Das
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