Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unsichtbare Blicke

Unsichtbare Blicke

Titel: Unsichtbare Blicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Maria Reifenberg
Vom Netzwerk:
den Zeitpunkt seiner Abreise mussten sie ihm glauben – oder auch nicht.
    Aber es machte keinen Sinn. Es machte einfach keinen Sinn.
    Stella verließ den Raum, ohne ein Wort mit Felix gesprochen zu haben. Sie gab Saito ein Zeichen, ihr zu folgen.
    Vielleicht machte sie tatsächlich einen Fehler, weil sie längst von der Fährte, die sie verfolgte, zu überzeugt war. Wintersteins Worte klangen ihr in den Ohren. Er hatte recht, das war eine Gefahr, der viele Ermittler erlagen. Nur noch auf die Fakten schauen, die die eigene Vorstellung von einem Fall bestätigten. Die anderen wurden vernachlässigt.
    Kaum hatte sie den Flur betreten, holte Winterstein tief Luft. «Bitte!»
    Mit einer ausladenden Armbewegung dirigierte er Stella zu den Monitoren, auf denen Felix Diuso aus unterschiedlichen Perspektiven zu sehen war. Er hatte die Arme auf den Tisch gelegt und seinen Kopf darin vergraben. Sein Körper wurde von Schluchzern geschüttelt, die Lautsprecher übertrugen jeden Seufzer und hier und da ein «Josie …».
    «Warum gehen Sie ihn nicht härter an?», fragte Winterstein.
    «Er heult, reicht das nicht?»
    «Sie haben ihn doch bald so weit.»
    «Weil es keinen Sinn macht», erwiderte Stella. «Es macht bei Sarah keinen Sinn, und es macht noch weniger Sinn, was die anderen Fälle betrifft. Er hat kein Motiv, auch bei Sarah nicht und schon gar nicht bei Tania und Celine.»
    «Dann finden Sie das Motiv. Auf diese Weise …», er zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die Bildschirme, «kommen sie der Sache natürlich nicht näher.»
    Die Staatsanwältin räusperte sich. «Diuso ist ein völlig harmloses Bürschchen. Wir haben nicht mal einen Krümel Marihuana bei ihm gefunden.»
    Stella warf ihr einen erstaunten Blick zu. Sie hatte sich offensichtlich schon eingehend mit der Sache beschäftigt.
    «Seinen Computer und sein Smartphone haben die Computerjungs in der Mache, auf den ersten Blick: nichts», sagte Miki Saito. «Er turnt nicht auf irgendwelchen perversen Seiten rum, ein paar Pornobildchen, von denen keiner schwach wird, okay, aber da haben wir schon ganz anderes gesehen.»
    «Scheinbar harmlose Bürschchen sind schon mit einer Schrotflinte in Schulen gerannt und haben ein Blutbad angerichtet», platzte es aus Winterstein heraus. Er war sichtlich ungehalten darüber, dass ihm nun alle, sogar die Staatsanwältin, Widerworte gaben. «Die Presse steht mir auf den Füßen, wir sollten bald etwas vorzuweisen haben.»
    «Wir haben am Ende eine Menge Ärger vorzuweisen. Sie wissen genau, dass da drüben mindestens ein Anwalt fehlt. Selbst wenn er gleich ‹Halleluja, ich bin Jack the Ripper schreit›, bringt uns das nichts.» Stellas Stimme bebte, sie ertrug diesen Winterstein kaum noch. Sie atmete einmal tief ein und aus und versuchte, der Eskalation aus dem Weg zu gehen.
    Saito legte die Hand auf ihren Unterarm. «Es ist nicht so einfach, eine solche Serie hinzulegen. Der Täter braucht eine gewisse Logistik, nicht nur, was die Internetsachen angeht. Das kann heute fast jeder pfiffige Zehntklässler.»
    «Na also!»
    «Er hat die Opfer jeweils einige Zeit irgendwo versteckt gehalten, er hat die Körper an völlig unterschiedlichen Orten dieses Landes abgelegt, das heißt, er muss mindestens ein Transportmittel gehabt haben. Felix Diuso wird nicht mit einer Leiche auf der Stange seines Mountainbikes bis zu dem Leuchtturm in Mecklenburg-Vorpommern geradelt sein. Alle Erfahrungen im internationalen …»
    «Jetzt kommen Sie mir doch nicht mit Ihren paar Wochen in Miami», fuhr Winterstein Saito an. «Ein paar Vorträge beim FBI über Profiling …» Er verkniff sich den Rest.
    Saito setzte eine kühle Miene auf. «Auch ganz piefige deutsche Fallanalyse würde den Täter als einen Mann zwischen dreißig und fünfzig beschreiben, alleinstehend, verfügt über Rückzugsmöglichkeiten oder Räume, die für andere unzugänglich sind, ist mobil, hat überdurchschnittliche Computerkenntnisse …»
    Wieder fiel Winterstein ihm ins Wort. «Dieser junge Herr dort konnte uns für keinen der Zeiträume genau sagen, was er gemacht hat.»
    «Also bitte, Sie sagen selbst, dass es Zeiträume sind, und zwar grobe. Welcher Jugendliche kann schon nachweisen, wo er vor Monaten von irgendwann bis irgendwas rumgehangen hat? Das weiß ja nicht mal ich so genau.»
    Stella gab Saito ein Zeichen. «Verlagern wir die Diskussion in den Konferenzraum», schlug sie vor. In ein paar Minuten war ein Treffen des engeren Kreises im Sitzungssaal

Weitere Kostenlose Bücher