Unsichtbare Blicke
ehemaliges Staatseigentum. Sie wurde nach der Auflösung der Treuhand mit der Restabwicklung beauftragt, das zieht sich teilweise bis heute hin. Aber sie hat natürlich auch neue Geschäftsfelder aufgebaut und streckt ihre Fühler seit Jahren in Richtung anderer Bundesländer wie auch nach Polen und Tschechien aus. Die ImmoTreu hat vor vier Jahren versucht, eine Reihe von Liegenschaften in Nordrhein-Westfalen zu übernehmen. Auch in Wuppertal.»
«Die Fabrikhalle, in der dieses Mädchen …?»
«Jepp! Die Verhandlungen sind gescheitert. Muthaus hat herausgefunden, dass Wester an den Gesprächen damals beteiligt war.»
Am liebsten wäre Stella aufgesprungen, um ihren Partner zu küssen. Sie unterdrückte den Impuls. Stattdessen zeigte sie Annika Borden eine Außenaufnahme des Leuchtturms, in dem Tania Strecker gefunden worden war.
«Das ist unsere Verbindung zu dem anderen Opfer: Ein Aquarell dieses Gebäudes hängt in Westers Hütte. Gut, die Bilder werden dort oben in Massen als Andenken verkauft, aber wir wollen
nur
einen Durchsuchungsbeschluss», sagte Stella.
Die Staatsanwältin winkte ab. Es dauerte eine Weile, ihre Blicke wanderten zwischen Miki, Stella und der Aktenmappe auf ihrer Schreibunterlage hin und her. «Okay», sagte sie endlich und kritzelte ihre Unterschrift auf das Papier. «Ich lege das dem Ermittlungsrichter vor, Sie können davon ausgehen, dass er mitzieht.»
«Danke», quittierte Stella die Entscheidung knapp.
«Ich frage nicht, woher Sie wissen, dass das Bild dort hängt, Frau van Wahden.»
Dieses Mal schob Stella ein etwas freundlicheres «Das weiß ich zu schätzen!» hinterher und garantierte der Staatsanwältin, dass das Bild bei der Durchsuchung sicher gefunden würde.
Wenige Stunden später stand Stella vor ihren Leuten und rekapitulierte den Verlauf der letzten Tage, um alle auf einen gleichen Stand der Dinge zu bringen. Sie hatte die Einsatzzentrale in das bayerische Dorf, Westers Heimat seit der Wende, verlegt.
«Seit anderthalb Tagen wird Wester überwacht, aber er hat sich in keiner Weise auffällig verhalten. Den größten Teil der Zeit hat er in Weimar in seinem Büro verbracht, zweimal ist er ausgerückt, um mit Kunden Objekte zu besichtigen; beide Nächte hat er in seinem Einzimmerapartment in Weimar geschlafen.»
Das Team hatte nur wenig Zeit gehabt, sich im ehemaligen Sitzungszimmer des Gemeinderats einzurichten. Seit der Gebietsreform stand das ganze Gebäude leer. Muthaus, Kronen, Saito und Kluschke, der Einsatzleiter des Suchtrupps der Coburger Polizei und ein paar Beamte in Uniform standen um den Mahagonitisch herum, an dem früher entschieden worden war, ob eine neue Abwasserleitung ins Neubaugebiet gebaut oder ein Gedenkstein für die im Weltkrieg umgekommenen Soldaten aufgestellt wurde.
Bernhard Tschelcher war hin- und hergerissen gewesen, als Stella ihm die Bitte unterbreitet hatte, die Räume zur Verfügung zu stellen. Einerseits verlockte ihn die Möglichkeit, Teil einer spektakulären Polizeiaktion zu sein, andererseits wurde er nicht müde, immer wieder einzuwerfen, welch guter Junge der David doch sei und dass er sich nicht vorstellen könne, was er ausgefressen haben sollte.
Stella hatte es ihm auch nicht verraten, sondern nur die Schlüssel des gesamten Gebäudes in Empfang genommen und den Mann gebeten, ihr den Sicherungskasten zu zeigen.
Zwanzig uniformierte bayerische Kollegen standen samt Suchhunden und zwei Tauchern im Nachbarort bereit. Es sollte ein schneller und durchgreifender Einsatz werden. Während sie mit Saito gemeinsam Wester befragen würde, sollten Muthaus und Kronen das Haus auf den Kopf stellen, Kluschke sich an Ort und Stelle der Computer annehmen. Die Wohnung in Weimar und das Büro übernahm die dortige Kriminalinspektion.
«Nachdem die Jungs aus Coburg ihn verloren haben, ist er erst gegen 06 : 30 Uhr wieder aufgetaucht», rekapitulierte der Coburger Einsatzleiter. «Er hat sich umgezogen und auf den Weg nach Weimar gemacht, einem Kunden in Suhl einen Gebäudekomplex gezeigt, anschließend zurück zu seiner Hütte, da ist er jetzt. Die Kollegen warten auf den Befehl zum Zugriff.»
«Haben Sie Ihren Leuten gesagt, dass sie keinen Ton über den Grund der Befragung verlieren sollen?», fragte Saito.
«Herbringen und aus die Maus, jepp», bestätigte der Einsatzleiter.
«Okay. Dann los», sagte Stella.
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Er hatte sie erwartet. Dass sie gleich mit einem Einsatzkommando dieser Größe antraten, überraschte ihn jedoch ein
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