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Unsichtbare Blicke

Unsichtbare Blicke

Titel: Unsichtbare Blicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Maria Reifenberg
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da wusste er genau, wie es ging.
    Zu seinem Erstaunen bogen sie nicht nach rechts auf die Landstraße, sondern nach links. Sie brachten ihn nicht nach Coburg oder sogar nach Bamberg. Nach ein paar Minuten hielten sie am ehemaligen Bürgermeisteramt. An der Tür erwartete ihn bereits das fesche Mädel und der Japaner.

53
    Stella nahm David Wester auf dem oberen Absatz der kleinen Freitreppe in Empfang. Die Begrüßung wirkte fast, als erwarte man einen gerngesehenen und wichtigen Gast. In gewisser Weise war es auch so, wichtig war er, ohne Zweifel, und gerne gesehen auch. Stella hatte damit gerechnet, dass Wester verschwinden würde, wenn er erfuhr, dass sie ihn im Visier hatten.
    Der perfekt sitzende Anzug, die akkurate Rasur, der Hauch eines würzigen Aftershaves: David Wester erfüllte alle äußeren Merkmale, die man von einem Immobilienmakler im gehobenen Segment erwarten durfte. Ihrem Blick bei der Begrüßung hielt er stand.
    «Wäre vielleicht ein Objekt für Sie», sagte Stella mit einer Geste, die über die Fassade zu streichen schien.
    «Ich bin nicht für Bayern zuständig. Thüringen und Sachsen-Anhalt», antwortete er mit einem Lächeln.
    Das Lächeln war nicht einzuordnen. Natürlich war er nicht dumm. Bei dem Aufgebot an Beamten konnte er sich denken, wie intensiv sie sich vorher mit ihm beschäftigt hatten. Vielleicht hatte er die Überwachung ebenfalls längst bemerkt. Anzeichen dafür hatte es nach Auskunft der Kollegen nicht gegeben.
    «Ja, das wissen wir», sagte Stella. Sie stellte sich vor und zeigte ihren Dienstausweis.
    «Nicht nötig», wehrte Wester ab. «Das da draußen bei der Hütte braucht wohl keine zusätzliche Legitimation. Das schöne alte Amt steht übrigens leer, weil es ungeklärte Eigentumsverhältnisse gibt, ja, damit müssen wir uns nicht nur drüben herumschlagen.» Wieder warf er ein undefinierbares Lächeln in die kleine Runde. Als keiner reagierte, zuckte er die Achseln. Stella bat ihn in die ehemalige Amtsstube des Bürgermeisters.
    Der hochgewachsene und etwas steif wirkende Mann folgte Miki Saito, während Stella ihm nachschaute. Er ist sich sehr sicher, dachte sie. Zu sicher. Niemand, der sich einigermaßen plötzlich in einer solchen Situation wiederfand, begegnete der Polizei mit solcher Gelassenheit. Selbst wenn Tschelcher geplaudert hatte, wovon sie ausging.
    Sie warf einen Blick in den Gemeindesaal und bat einen der beiden örtlichen Polizeimeister, Kaffee und Wasser zu bringen, dann folgte sie Saito und Wester.
    Saito schaltete das Aufnahmegerät ein, leierte die Namen der anwesenden Personen, den Ort und die Uhrzeit herunter. «Wenn Sie rauchen wollen», bot er Wester an, «kein Problem. Es ist ja kein öffentliches Gebäude mehr.»
    Wester lehnte ab. Auch auf Kaffee und Wasser verzichtete er.
    «Sie wundern sich vielleicht über meine Ruhe», übernahm er die Initiative. «Tschelcher hat mich natürlich vorgewarnt. Sie können dem Guten Ihr Geld, sogar Ihr Leben anvertrauen, aber niemals ein Geheimnis.»
    Lächeln.
    Dieses Lächeln nervte Stella. Sie hatte schon eiskaltes Lächeln gesehen, in allen Varianten verlogenes Lächeln, mitleidiges, schadenfrohes, verhöhnendes. Dieses Lächeln war … sie wusste es nicht.
    «Trotzdem frage ich mich natürlich, was dieser D-Day auf meinem Grundstück soll. Aber es wird schon seine Richtigkeit haben.»
    Lächeln.
    Es gab letztendlich nur zwei Möglichkeiten, eine solche Befragung zu beginnen. Sich irgendwo auf der langen Strecke des Täters zu ihm gesellen, ganz weit hinten oder auf einem der Umwege, die sein Leben gemacht hat, zu suchen und sich unterzuhaken und mit ihm bis zur Tat zu wandern. Oder direkt zur Sache kommen, eine Schranke aufstellen, hier und nicht weiter, stopp, keine Umleitung – und den Pfad zurück antreten, Schritt für Schritt zurück zur Tat.
    Stella entschied sich für die zweite Möglichkeit.
    «Wir suchen ein Mädchen», sagte sie.
    «Josie S., die suchen Sie, oder?»
    Nach seiner ersten Antwort wusste Stella: Sie hatte die richtige Entscheidung getroffen. Die Kaltschnäuzigkeit, mit der er den Namen seines Opfers aussprach, wie er in die Offensive ging, sich nicht scheute, auch noch ein freches, fast keckes
oder?
anzuhängen, bestärkte Stella in ihrer Einschätzung.
    «Das ist richtig.»
    «Ich habe davon gelesen, daher kam mir auch Ihr Name bekannt vor: van Wahden, kein Allerweltsname.»
    Ich weiß ganz genau, was ich sage!, war die Botschaft dieses Satzes, vertun wir keine Zeit mit

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