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Unsichtbare Blicke

Unsichtbare Blicke

Titel: Unsichtbare Blicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Maria Reifenberg
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mir. Dieses Etwas hörte ich sehr deutlich. Ich hatte es erstaunlich gut in Schach gehalten. Aber jetzt war es da. Angst. Nicht vor ihm. Die Angst, den Verstand zu verlieren.

56
    Stella schob den Pizzakarton von sich. Sie konnte keine Pizza mehr sehen. Der Goldene Ochse hatte ihnen zwar ein paar Zimmer zurechtgemacht, mehr als Frühstück sei aber nicht drin, hatte Paul Hornhuber, der Wirt, ihnen gleich eröffnet. Die Küche werde modernisiert. Allerdings war für mehr als Fastfood auch keine Zeit.
    Das Alibi von David Wester hatte sich bestätigt. Es stank zum Himmel, wenn man sich Theo Monks Akte bei diversen Dienststellen anschaute. Monk war seit der Wende schon mit so ziemlich jeder Form von Kriminalität in Tuchfühlung geraten, aber er hatte sich fast immer rausgewunden, nur einmal Anfang der Neunziger war er in den Knast gegangen.
    «Urkundenfälschung, Drogen, Waffenschiebereien aus dem Ostblock, da haben sie ihn fast erwischt, das Spezialgebiet sind Handfeuerwaffen jeder Art, alles was die Armeebestände in der ehemaligen UdSSR hergeben, Autos in den Nahen Osten, Zigaretten ohne Zollmarke. Mord und Mädchenhandel fehlen allerdings», hatte Saito zusammengefasst.
    «Kann ja noch kommen», war Petra Kronens trockener Kommentar gewesen.
    «Und er bestätigt die Anwesenheit von Wester am Tag von Josies Verschwinden.»
    Eine noch größere Pleite war die Durchsuchung gewesen. Nichts beschrieb nicht einmal annähernd das Ergebnis.
    «Wester kauft sich nicht mal Schmuddelhefte am Bahnhof», berichtete Muthaus. «In dem Weiher das obligatorische rostige Fahrrad, im Wald hinter der Hütte ein kleines Massengrab …», er hatte den Moment der Stille bei diesem Wort kurz ausgekostet und den Satz dann vollendet: «Leider ein Friedhof der Kuscheltiere. Unmengen von Kleintierknochen. Könnte sein, dass der Herr gerne Karnickel und Meerschweinchen zerlegt. Ein Versteck, wo er ein Mädchen unterbringen könnte – Fehlanzeige. Na ja, und das andere auch nicht. Keine menschlichen Überreste.»
    Im Haus hatte es keinerlei auffällige Spuren gegeben, die Fingerabdrücke und alles an verwertbaren DNA -Spuren gehörten fast ausschließlich zu einer Person – Wester selbst. Genauso war es den Kollegen im Weimarer Apartment des Verdächtigen und in seinem Büro ergangen. Über das Auto, keinen Volvo, sondern einen BMW , den die Firma ihm zur Verfügung stellte, machten sich die Techniker gerade her. Hoffnung auf ein Ergebnis gab es nicht.
    «Ich befürchte, dein lieber Herr Winterstein lacht sich ins Fäustchen», sagte Petra Kronen. Sie waren mittlerweile alle zum Du übergegangen.
    Stella nickte. Lange konnte sie den Einsatz in diesem Dorf am Ende von Nirgendwo nicht mehr rechtfertigen.
    Kluschke, der nach der ersten Überprüfung von Westers Computern auch nur die Achseln gezuckt hatte, war schon auf dem Rückweg nach Köln. Muthaus und Petra Kronen würden irgendwann auch wieder einen Blick auf ihre eigenen Aktenstapel in Wuppertal und Schwerin werfen müssen. Für diese und die nächste Nacht hatten die Coburger noch zwei Teams zur Überwachung von Wester abgestellt, danach würde damit auch Schluss sein.
    «Er hat sie. Ich bin sicher, er ist unser Mann», wiederholte Stella wie ein Mantra. «So verhält sich kein braver Bürger, der aus Versehen in eine Fahndung nach einem mindestens zweifachen Mörder geraten ist.»
    Sie spielte den anderen noch einmal einen Teil der Befragungen vor.
    An zwei Tagen hatten Stella und Saito insgesamt vierzehn Stunden mit dem Mann verbracht. Bis auf wenige Ausnahmen hatte er mit ihnen geplaudert, dann wieder kleine scharfe Gegenangriffe geritten, gelangweilt geantwortet. Meistens war es ein geduldiges Frage- und Antwortspiel.
    «Kein Augenblick der Erschöpfung. Keine Verwunderung. Keine Empörung. Kein nichts», seufzte Saito.
    «Er spielt uns was vor.»
    Stella vergrub das Gesicht in den Händen. Eine paar Minuten der Stille breiteten sich aus. Stellas Handy zerriss den Moment der Bedrückung.
    «Einsatz in Manhattan», schmunzelte Muthaus, als er den Klingelton hörte.
    «Kojak», korrigierte Petra Kronen.
    Stella grinste. «Drei Engel für Charlie.» Sie nahm den Anruf entgegen. «Schatz, ich habe es nicht …»
    «Mama», erklang Mortens vorwurfsvolle Stimme am anderen Ende. «Du
hast
es vergessen! Ich vermute, dass wir uns nicht mehr sehen?»
    «Wann geht dein Flug?»
    «Morgen um halb fünf. Einer von Kallis Freunden bringt uns nach Düsseldorf, mach dir also keine

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