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Unsichtbare Blicke

Unsichtbare Blicke

Titel: Unsichtbare Blicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Maria Reifenberg
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nichts, das war klar, weil ich viel zu viel Angst hatte, dass mein Vater in meinen Dateien herumkramte. Deshalb gab es nichts auf meiner Festplatte, was mich irgendwie in Schwierigkeiten bringen konnte.
    «Hast du eigentlich so ein Schutzding?»
    «Selbstverständlich», kicherte Sarah. Sie kramte in ihrer Handtasche, einem Marc-Jacobs-Fake aus gestepptem blauen Nylon, und wedelte mit einem Kondom vor meiner Nase.
    Ich verdrehte die Augen. Ausgerechnet in diesem Augenblick musste Frau Kluth in ihrer weißen Rüschenschürze und der perfekt über dem Hintern sitzenden Schleife an unseren Tisch kommen und fragen, ob wir noch etwas bestellen wollten. Ich schüttelte den Kopf. Sie zwinkerte verschwörerisch.
    «Sarah! Für den Computer.»
    «Eine Firewall? Natürlich habe ich die. Manchmal nervt die beim Surfen, weil sie dauernd nachfragt, ob dieser oder jener jetzt auf irgendwas zugreifen darf, dann schalte ich sie ab.»
    «Na toll! Wenn ein Typ sagt, er passt schon auf, lässt du auch das Gummi weg, was?»
    Sarah schnaubte und saugte am Strohhalm, der in ihrem Getränk steckte. «Hast du schon mal drüber nachgedacht, dass er dich vielleicht verarscht?»
    Ich schüttelte den Kopf, etwas zu heftig und etwas zu prompt. Sarah war nicht blöd, und sie kannte mich.
    «Vielleicht sitzt er drei Reihen vor dir in der Klasse? Oder da drüben.» Sie zeigte auf ein paar Jungs. Ein Typ mit blühender Akne machte obszöne Schwünge mit der Hüfte. «Einer von den schrägen Vögeln, die den ganzen Tag auf ihren Handys rumhämmern und Pornos tauschen», grub Sarah weiter Löcher in meine Überzeugung. «Oder einer, auf den wir nie kämen. Der Rotter oder so einer.»
    Der Gedanke gruselte mich, dass ich schon einmal unwissentlich mit Rotter gechattet haben könnte. Rotter, der dünne, lange Typ mit der Fusselfrisur, der schon mal in meinem Zimmer gewesen war, als er unter den Argusaugen meines Vaters den Computer installiert hatte! Er betreute auch das Netzwerk in der Schule, ehrenamtlich, für den Förderverein.
    Sarah saugte geziert an ihrem Eiskaffee und schaute dabei mit einem lasziven Blick über den Rand des schmalen hohen Glases hinweg. «Jetzt erzähl mir lieber, was mit deinem anderen Verehrer ist», fragte sie stattdessen.
    Mich nervte, wie sie auch heute wieder versuchte, mir so etwas wie ein ganzes Rudel von Typen, die bei mir virtuell oder im echten Leben Schlange standen, anzudichten. Geronimo war, wer auch immer und wo auch immer er tatsächlich steckte, kein Verehrer. Das Wort fand ich sowieso blöd. Ich wollte nicht verehrt werden. Ich wollte geliebt werden, gehalten, angenommen, so, wie ich war, aber nicht verehrt.
    «Komm schon, was ist mit Felix?», hakte sie nach.
    Wir hatten uns ein paarmal gesehen. Genau genommen nicht nur ein paarmal, sondern immer, wenn mein Vater wegguckte, und bei einigen Gelegenheiten hatte Sarah als Alibi herhalten müssen. Hier und da machte es den Eindruck, als sei sie eifersüchtig darauf, dass Felix mich in Beschlag nahm. Bisher war immer sie die Umschwärmte und Vielbeschäftigte gewesen, die grundsätzlich in ihren Kalender guckte, wenn man sich mit ihr verabreden wollte, auch wenn sie garantiert nichts vorhatte.
    «Wir waren im Kino, allerdings schon in der 18 -Uhr-Vorstellung, weil mein Vater sonst wieder gemeckert hätte. In
Zweiohrküken

    «Gut zu wissen, wenn ich mit deinem Vater rede.»
    «Du redest mit meinem Vater?»
    «Vielleicht eher so: Er hat versucht, mich auszufragen.»
    Mir verging der Appetit auf meinen Eisbecher. Die Amarenakirschen schwammen schon in einer Mischung aus Vanilleeis und dunkelrotem Sirup. Ich schob den Glaskelch von mir.
    Er schnüffelte mir nach. Er war sich nicht einmal zu schade, meine Freundin auszuhorchen. Glaubte er etwa, sie würde es mir nicht sagen?
    «Hast du ihm …»
    «Josie, hör auf. Bin ich blöd? Bin ich eine Tussi? Bin ich ein Arschloch? Er hat nur einen Testballon steigen lassen, und es war reiner Zufall, weil Papa mich mit in den Baumarkt geschleppt hat, als wir die Bretter für das Regal in meinem Zimmer abgeholt haben. Kannste schön selbst schleppen, hat er gesagt und so einen Scheiß. Will ich das Regal?, hab ich gefragt, nein, Mama nervt es, wenn die Sachen im Zimmer rumliegen.»
    «Sarah! Mein Vater!?»
    «Der stand an der Kasse mit so Blechteilen für die Regenrinne und hat angefangen zu plaudern: Was wir denn so machen, dass wir viel öfter als früher was zusammen unternehmen und Pipapo. Plauder, plauder, dein Alter,

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