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Unsichtbare Blicke

Unsichtbare Blicke

Titel: Unsichtbare Blicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Maria Reifenberg
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dem sonst
Schlampe
auf der Stirn steht, wenn er mich sieht, hab ich gedacht. Und dann hat er es irgendwie auf das Thema Jungs gebracht, und ich hab gesagt, wir müssten los. Und bin gegangen.»
    Ich konnte mir genau das Gesicht vorstellen, die ganze Pose, mit der sie abgerauscht war. Vielleicht hatte sie auch noch «Was denken Sie von uns, Herr Sonnleitner?» gehaucht und dabei gewirkt, als sei sie gerade aus dem Bett von irgendwem gestiegen. Sarah konnte zwar lügen wie gedruckt, wenn es darauf ankam, aber sie kapierte nicht immer, wann es darauf ankam. Es machte ihr geradezu Spaß, bei solchen Gelegenheiten die verwegen Abgründige zu spielen. Eine Andeutung hier, ein Augenaufschlag da – eine blöde Nummer.
    «Wie war der Film?», fragte sie.
    «Felix fand ihn schrecklich, aber er hat durchgehalten und sich nichts anmerken lassen.»
    «Alle Männer finden den schrecklich. Das muss Liebe sein, sonst ginge er nicht mit dir in solche Filme.»
    «Beim nächsten Mal sucht er den Film aus.»
    «Oho, es gibt ein nächstes Mal?!»
    Mein Grinsen sagte wohl alles. Ja, das war ziemlich sicher. Es würde ein nächstes Mal geben.
    Felix hatte mich nach dem Arbeiten mit dem Auto eines Kumpels an der Bushaltestelle abgeholt, war aus dem Wagen gesprungen, um mir die Beifahrertür zu öffnen, bevor ich den Griff auch nur anfassen konnte. Es hatte einen kurzen Moment der Verwirrung gegeben, weil wir beide nicht so recht wussten, wie wir uns begrüßen sollten.
    Er entschied sich für einen Kuss auf die Wange, gehaucht eher, ein bisschen vertraut, aber nicht zu sehr. Kein Kuss auf die Lippen.
    «Keine Limousine», entschuldigte er sich. «Aber besser als nichts …»
    Mir ist piepegal, welches Auto du fährst, hätte ich am liebsten gesagt, Hauptsache,
du
sitzt drin.
    Ich sagte nichts, sondern versuchte, seinen Geruch so lange wie möglich zu genießen. Er roch ganz frisch, seine Haare waren noch feucht.
    Er trug ein schwarzes Hemd mit kurzen Ärmeln, keine seiner zerfetzten Jeans, sondern eine neue dunkelblaue, bloß seine verranzten Chucks kannte ich schon.
    Er hatte sich für ein Date chic gemacht. Ein Date mit mir.
    Durch das schwarze Hemd wirkte er älter; die eng am Kopf liegenden Haare betonten das noch. Der halbe Italiener in ihm schlug voll durch, und es gefiel mir. Am liebsten wäre ich erst einmal mit ihm Hand in Hand quer durchs Dorf gelaufen, um ihn allen zu zeigen, aber offiziell war ich mit ein paar Freundinnen aus der Schule unterwegs. Papa hatte nicht gefragt, welche Freundinnen, obwohl er wusste, dass ich nicht gerade mit vielen Mädchen enger befreundet war. Immerhin, das war ein Fortschritt gewesen, und ich hatte zehn Uhr herausgekämpft. Eine lächerliche Zeit für jemand in meinem Alter, fand ich, aber immerhin.
    All das ging mir an der offenen Autotür durch den Kopf.
    «Stimmt was nicht?», fragte Felix. Seine Ohren glühten rot.
    Mir wurde klar, dass ich noch keinen Ton von mir gegeben hatte, und mehr als ein «Nein, doch, alles okay» brachte ich nicht hervor.
    In dem klapprigen Kombi roch es scharf und faulig. Mir kribbelte es davon auf der Haut, was das Gespräch etwas behinderte, bis wir die Türme des Kölner Doms sahen und von der Autobahn abfuhren.
    «Kolja hat am Nachmittag eine Wanne voll Pansen für die Hunde geholt, der Mief bleibt einfach hängen», erklärte Felix.
    «Die Leute im Kino werden sich freuen», sagte ich, worauf er wieder knallrot anlief. Ich hatte es gar nicht so gemeint, mir war es völlig egal, wie wir rochen, aber das hatte ich erst einmal vermasselt.
    Sarah lachte mich aus. «Hat er dich rausgeschmissen und ist wieder zurückgefahren?»
    «Quatsch. Er hat nach dem zweiten Werbespot den Arm um mich gelegt und ihn bis zum Abspann nicht mehr weggenommen.»
    Sarah brach in Begeisterung aus. «Josie, ist verli-hiebt!», kreischte sie.
    «Soll ich dir ein Megafon besorgen?», fragte ich, wobei das eigentlich nicht nötig war. Alles, was Frau Kluth mitbekam, war innerhalb eines halben Tages Stadtgespräch. Besonders natürlich, wenn «die kleine Sonnleitner was am Laufen hatte» und sich Kondome von Sarah Trautmann, «dem Flittchen», lieh. Das ungefähr war die Version, die ich morgen von meinem Vater hören würde.
    «Und? Danach?» Sarah rutschte ganz weit nach vorne. Ihr Hintern berührte kaum noch die Kante der geflochtenen Sitzfläche des Stuhls.
    «Was danach?», spielte ich die Ahnungslose.
    Danach hatten wir eine Pizza und zwei Flaschen Bier geholt und uns auf einen

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