Unsichtbare Kräfte
gekommen, von der aus man eine weite Sicht über das Meer genoß. Des Doktors Augen starrten in die graue Weite, wo hinten am Horizont sich dunkle Wolkenmassen zu himmelhohen Bergen türmten.
Ein Sturm brach los, kam heulend heran, traf die schmächtige Gestalt auf der Düne, als wollte er sie hinunterfegen.
Schneeflocken stoben wirbelnd in die Höhe. Arvelin beachtete nicht, wie die scharfen Schneekristalle sein Gesicht peitschten.
»Allgewalt der Natur! Ähnliche Waffen, Schwingungen von noch größerer Kraft, müssen es sein, die wie eine hörnerne Haut den Leib schützen! Zu schwach die Kraft der chemischen Mittel. - Möchte es mir gelingen, den gefundenen Pfad zu Ende zu schreiten! Wär’s auch nur, um den Triumph zu erleben ... Welch Triumph des menschlichen Geistes, dem Schicksal zu begegnen! Doch für mich wär’s zu spät! Kein Heilmittel, das tödliche Gift in mir zu bannen. Doch sterbe ich triumphierend, soll der Tod mir leicht sein!«
Mit raschen, fast jugendlichen Schritten eilte er den Hang hinunter. Wollte quer über die Rasenfläche dem Schloß zu gehen, da stutzte er plötzlich. Im Schnee Fußspuren ... Spuren eines Mannes, die aus dem Walde herkamen und zu der Tür des Mausoleums führten, eines uralten, steinernen Baues. Schon seit vielen Geschlechtern barg er die sterblichen Reste der Freiherrn von Winterloo.
Verwundert betrachtete Arvelin die Spuren.
Jetzt erst fiel ihm auf, daß die Spuren nicht wieder zurückkehrten. Der da gekommen war, mußte noch in der Gruft sein!
Unhörbar trat Arvelin in dem weichen Schnee auf die Tür zu. Sie war nur angelehnt. Ein schmaler Spalt gestattete ihm, einen großen Teil des Innern zu überblicken. Gespannt verfolgte er das Tun des Fremden da drinnen. War das möglich?
Ein sekundenlanges Besinnen. Dann griff er in die Kleider, bewegte, während seine Lippen unverständliche Worte murmelten, die Hebel eines kleinen Apparates, der an seiner Brust verborgen war. —
In der Mauer am Kopfende der Krypta eingehauen eine hohe, schmale Nische. Ein Glasfenster davor, von starkem Drahtgitter geschützt. In der Nische stand auf einem alten, wurmstichigen Holzklotz eine Monstranz. Ein uraltes Prachtstück künstlerischer Goldschmiedearbeit. Schon mehrfach waren Kunstliebhaber in Winterloo gewesen und hatten hohe Summen dafür geboten.
Der Fremde hatte die kleine Laterne in einen der hohen Kandelaber gehängt, trat jetzt, ein stählernes Werkzeug in der Hand, auf die Nische zu. »Wirst ja doch eines Tages mein Eigentum werden! Lange macht’s der Alte nicht mehr! Ob du heute oder morgen den Weg nach Warschau wanderst, ist einerlei. Übermorgen reist der millionenschwere Amerikaner ab. Schwimmst du erst mal auf dem Großen Wasser, mag der Teufel dich suchen!«
Unter dem Druck der stählernen Zange wich das Gitter. Ein Stoß schlug die Glasscheibe in Trümmer. Der Fremde warf die Zange weg, griff mit der Rechten in die Nische. Seine Hand berührte das kalte Metall.
Da ... er fühlte, wie eine fremde Hand sich um sein Handgelenk spannte. Gleichzeitig rief eine Stimme nahe bei ihm: »Hinweg, du Grabschänder! Sei dreimal verflucht, Franz Harrach!«
Ein wahnwitziger Schrei entfuhr dessen Mund. Seine Hand zuckte zurück.
»Wer bist du? Wer wagt es ... ?« Wie wahnsinnig starrte er umher. Niemand zu sehen. Er ergriff die Laterne, leuchtete rundum.
Eine Sinnestäuschung?
Da krampfte er in tödlichem Entsetzen die Schultern zusammen - war ihm doch, als berühre der warme Atem eines Menschen sein Ohr.
Wieder diese Stimme, die sprach: »Fort von hier! Du Unwürdiger!«
Der Schrei des Entsetzens, der aus seiner Brust brechen wollte, erstarb. Die Laterne fiel klirrend zu Boden. Mit ein paar rasenden Sprüngen war der Dieb an der Tür, warf sich dagegen. Stürmte dem Walde zu, als sei die Hölle hinter ihm.
*
Mr. Gorman, der Leiter der Niederlassung von Truxton & Co. in Tabago, trat aus seinem Privatkontor in den Raum, wo ein Dutzend Angestellte in Hemdsärmeln bei seinem Erscheinen eifrig die Federn eintauchten.
»Machen Sie sich bereit, Smith, zum Flugplatz zu fahren! In einer halben Stunde wird unser Flugzeug Nummer einhundertsiebenunddreißig ankommen, wie uns das gestrige Radiotelegramm meldete. Sorgen Sie für die Unterbringung des Flugzeuges, und bringen Sie die Gäste hierher!«
Der Angeredete warf den Bleistift hin und beeilte sich, den Büroraum zu verlassen.
Eine halbe Stunde später saß Mr. Gorman seinen Gästen in dem kühlen Repräsentationssaal im
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