Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Unsichtbare Kräfte

Titel: Unsichtbare Kräfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
Vom Netzwerk:
den Steinplatten führten Treppenstufen zur Sohle der Gruft hinab.
    Der Freiherr trat zu der Platte seines Grabes, unter der die Treppenstufen begannen. Er schob sie zur Seite. Aufatmend nahm er aus seiner Tasche das Testament, legte es auf die oberste Stufe. Dann rückte er die Steinplatte wieder über die Öffnung.
    Schleppenden Ganges wandte er sich dem Ausgang zu. Die schwere Abendluft legte sich wie ein Alp auf seine Brust. Mit Mühe erreichte er die Bank. Er setzte sich nieder, fiel in Ohnmacht.
    Wie lange er gelegen, wußte er nicht. Es war Mitternacht, als er in seinem Bett zu Bewußtsein kam. Friedrich und der Arzt an seinem Lager. Nach Sekunden schon überfiel ihn neue Ohnmacht.
    Tagelang schwebte er zwischen Tod und Leben. Dann kam das Ende.
    *
    Zur Abendstunde landeten Kapitän Wildrake und Droste bei der alten Caraibenstadt. Sie fanden die Indianer in größter Aufregung. Am Morgen des Tages nach Winterloos Flucht waren Soldaten in das Dorf gedrungen.
    Die Offiziere der Militärabteilung stellten ein strenges Verhör mit den Dorfbewohnern an. Doch vergeblich war alles Bemühen, aus Cihuaca und seinen Brüdern etwas Wichtiges herauszubringen. Der Häuptling gab offensichtlich nur widerwillig Antwort.
    Ein Zivilist, der dem Verhör beiwohnte, wandte sich an den Offizier, sprach ein paar Worte mit ihm.
    Der nickte. »Bitte, Don Lerdo! Wenn Sie glauben, den Burschen besser zum Sprechen bringen zu können ...«
    Tejada trieb sein Pferd an Cihuacas Seite, herrschte ihn in heftigen Worten an, fuchtelte mit der Peitsche.
    Cihuaca blieb stumm, die Augen glühend auf Tejada gerichtet, dem er, Cihuaca, zwanzigjährige Verbannung nach Wildrake-Hall verdankte - Tejada, der sie gepeinigt, mißhandelt hatte, als sie auf seiner Hazienda arbeiteten.
    Des Hazienderos Mienen wurden zorniger, je länger er sprach. Schließlich hob er die Peitsche, schlug sie mit voller Wucht über das ungeschützte Gesicht des alten Häuptlings.
    Ein Schrei des Entsetzens aus aller Munde. Da knallte ein Schuß. Lerdo de Tejada sank aus dem Sattel.
    Noch ehe die Soldaten sich von ihrer Überraschung erholt, war Cihuaca im Walde verschwunden. Die Verfolgung blieb ohne Ergebnis.
    Droste und Wildrake hatten nur mit Mühe vermocht, sich aus dem Gewirr der vielen Stimmen ein ungefähres Bild der Geschehnisse zu machen.
    Das kurze Billett Ednas gab Wildrake die Gewißheit, daß sie schon längst in Sicherheit, vielleicht bereits in England war. Droste war den Erzählungen der Indios nur mit halbem Ohr gefolgt.
    Immer wieder in ihm die Frage: Wie kam sein alter Freund Doktor Arvelin hierher? Und dieser Winterloo? Der einstige Erbe des alten Freiherrn sollte doch in Brasilien wohnen ... Er schrak auf, als Wildrake die Hand auf seine Schulter legte.
    »Eine Fülle von geheimnisvollen, unerklärlichen Vorgängen, Freund Droste. Zerbrechen wir uns nicht lange den Kopf! Morgen sind wir in England, dann werden wir alles hören.«
    *
    Als Arvelin die Halle von Schloß Winterloo betrat, kam ihm der alte Friedrich weinend entgegen. Arvelin versuchte den Zitternden zu trösten, da klang von oben her die Stimme Franz Harrachs.
    »Ah - wieder zurück, Herr Doktor Arvelin? Welch günstiger Zufall! Oder hörten Sie etwa auf Ihrer Reise?«
    »Ja!« erwiderte Arvelin. »Ich hörte schon auf der Rückfahrt vom Tode meines alten Freundes.«
    Harrach begann wie tröstend zu Arvelin zu sprechen. »Nun, war es Ihnen auch nicht vergönnt, am Sterbebett Ihres Freundes zu weilen, so kommen Sie doch noch zurecht, ihm die letzte Ehre zu erweisen. Morgen findet die Beisetzung im Mausoleum statt. Doch treten Sie näher!«
    Harrach öffnete die Tür zu Winterloos Arbeitszimmer. Fuhr fort, als sie Platz genommen: »Um von vornherein alle Bedenken über die Zukunft zu zerstreuen, möchte ich Ihnen mitteilen, daß es Ihnen selbstverständlich unbenommen bleibt, Ihren Aufenthalt hier, solange Sie wollen, auszudehnen. Ich glaube damit im Sinne unseres teuren Verstorbenen zu sprechen.«
    »Ich danke Ihnen, kann jedoch über meine Zukunft erst schlüssig werden, wenn der Nachlaß geordnet ist. Es fällt mir schwer, in dieser Stunde zu sagen, was ich jedoch zu meinem Bedauern offen aussprechen muß: Sie halten sich für den Erben der Winterlooschen Hinterlassenschaft, Herr Harrach?«
    »Ohne Zweifel!« erwiderte dieser mit erstauntem Gesicht. »Bin ich doch der nächste Verwandte des Freiherrn. Oder?«
    Arvelin nickte. »Allerdings, Herr Harrach. Ihr Irrtum ist entschuldbar. Aber es

Weitere Kostenlose Bücher