Unsichtbare Kräfte
schimpflicher Verrat war’s, den Winterloo an ihm, an Victorine geübt. Diese Edna Wildrake hatte ihn umgarnt. Unmöglich, daß ein Zufall Winterloo und Edna in dem Indianerdorf zusammengebracht hatte. Sie standen in Verbindung miteinander.
Und warum ging Edna Wildrake gerade nach San Fernando, wo seine Mutter wohnte? Sicherlich doch Verabredung! Nur blinde Liebesleidenschaft konnte Winterloo veranlaßt haben, sich nach Venezuela zu wagen.
Tejo knirschte mit den Zähnen. Strafe des Himmels wäre es gewesen, wenn der Ungetreue unter den Kugeln der Exekutionssoldaten sein Leben ausgehaucht hätte. Doch ein Teufel hatte ihn gerettet, jener Alte, in dessen Flugzeug er dann aus der Caraibenstadt weggeflogen.
Immer wieder hatte Tejo sich dessen Persönlichkeit beschreiben lassen. Wer war der unbekannte Helfershelfer? Endlich war ihm die Erleuchtung gekommen: Die Beschreibung paßte vollkommen auf den Freund des Freiherrn, den er in Schloß Winterloo gesehen hatte.
Doch wie kam der nach Venezuela? Wie konnte es geschehen, daß der Verurteilte im letzten Augenblick noch befreit werden konnte? Hier versagte jegliche Kombinationskunst. Doch auch das mußte er ermitteln. Nur in Schloß Winterloo durfte er hoffen, das Ende des verlorenen Fadens wiederzufinden. Und dabei würde sich auch das Dunkel um Winterloo aufhellen lassen. Vielleicht, daß er jetzt mit Edna in Deutschland weilte. Er war ja der gesuchte Erbe. Wildrake und Droste dazu - man könnte möglicherweise das Nest mit allen vieren darin ausheben.
Wie hatte doch Hogan gesagt: Ich decke alles, was Sie tun. Bringen Sie Wildrake und Droste zur Strecke!
Hogan räusperte sich, schob die Papiere ärgerlich von sich. »Es geht auch Sie an, Herr Major. Sehen Sie hier! Der erste Schlag ist vorbeigegangen. Ich glaubte die Stellung des Außenministers erschüttert, doch der Präsident hat ihn noch gehalten. Nun - lassen Sie sich dadurch in Ihren Plänen nicht stören! Fällt Torno nicht heute, so fällt er morgen!«
Tejo nickte. Sein Auge ging suchend über den Schreibtisch. Die Fotografie war verschwunden. Er wollte eine Bemerkung machen, unterdrückte sie. Doch Hogan schien seine Gedanken erraten zu haben.
»Ich danke Ihnen übrigens für das mir zugesandte Bild dieses Droste. Sie täuschen sich, Herr Major! Von Ähnlichkeit war wenig zu sehen. Wäre ja auch höchst sonderbar. Jene Dame war eine Engländerin, Droste ist Deutscher. Doch, um auf unsere Angelegenheit zurückzukommen: Es ist selbstverständlich am ratsamsten, wenn Sie sofort Schloß Winterloo aufsuchen.«
Es war der Tag nach der Beerdigung des Freiherrn. Ein Wagen fuhr vor Schloß Winterloo vor.
»Melden Sie Herrn Harrach Señor Demedio!«
Eine Minute später stand Tejo Franz und Adeline im Bibliothekzimmer gegenüber. Er sprach ein paar Worte des Bedauerns, kam dann sofort zu dem Zweck seines Besuches.
»Es war mir außerordentlich wertvoll, daß Sie mir das Hiersein von Wildrake und Droste nach Rio de Janeiro meldeten. Habe ich doch nun wenigstens eine Spur von den beiden. Aber wissen Sie vielleicht auch, woher sie kamen? Und wohin sie sich dann gewandt haben?«
Die Geschwister verneinten. »Wir nehmen an, daß sie aus England gekommen sind und dorthin zurückkehrten.«
»Es wäre das Nächstliegende. Aber gerade deshalb glaub’ ich’s nicht. Doch einerlei! Es ist nicht anzunehmen, daß sie das letztemal hiergewesen sind. Um möglichst nahe bei Winterloo zu bleiben, werde ich die nächste Zeit in Warschau wohnen. Selbstverständlich treffe ich alle Vorbereitungen, damit, wenn eines Tages Meldung von Ihnen kommt, die Aktion sofort beginnen kann.«
Er hielt inne, betrachtete erstaunt die Geschwister. Franz Harrach war augenscheinlich sehr verlegen. Adeline hatte sich zornigen Gesichts erhoben.
»Wir müssen morgen das Schloß verlassen«, rief sie. »Unter dem Vorwand, es existiere ein Testament, worin der Verstorbene einem brasilianischen Winterloo den Hauptteil seines Eigentums vermacht habe, hat Dr. Arvelin - Sie wissen ja, der Freund des alten Freiherrn - eine gerichtliche Verfügung gegen uns erwirkt. Ein Nachlaßpfleger soll die Erbmasse so lange verwalten, bis das vorgebliche Testament gefunden ist. Als Frist sind fünf Monate gesetzt.«
»Hm - sehr fatal, meine Herrschaften! Und störend für meine Pläne!«
»Nicht doch, Señor Remedio!« sagte Franz Harrach. »Wir haben vertraute Leute hier. Der Weg nach Dobra ist kurz. Über alle Vorgänge im Schloß werden wir ständig auf dem
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