Unsichtbare Kräfte
brasilianische Panzerschiffe fuhren halbdwars in mäßigem Abstand nach Süden. Die Decks leer; nur ein paar Wachen, die vergeblich den Himmel absuchten, ob nicht eine kühle Brise käme.
Die Uhr in der Zentrale des U-Bootes schlug die zwölfte Stunde. »Zeit stimmt!« rief Wildrake, »die Wachen werden abgelöst. Jetzt, mit Gott, los!«
Ein Hebeldruck. Das Boot änderte den Kurs nach Osten. Wildrake preßte das Auge ans Okular. Jetzt - seine Rechte drückte einen Knopf. Luft zischte durch Röhren. Fast im selben Augenblick hatte er einen anderen Hebel bewegt. Der Bug des Bootes drehte sich nach Steuerbord. Ein zweiter Torpedo verließ sein Rohr. Wie ein Stein sackte Wildrakes Boot nach unten, jagte dreißig Meter unter dem Wasserspiegel mit hoher Geschwindigkeit weiter.
Zwei schwere Explosionen kurz hintereinander!
Nach einer viertelstündigen Fahrt wagte es Wildrake, wieder aufzutauchen. Das Auge am Periskop, suchte er das Meer hinter sich ab.
»Gut getroffen!« rief er. »Beide Panzerschiffe haben schwerste Schlagseite. Halten sich keine zehn Minuten mehr. Alle Boote scheinen schon zu Wasser zu sein. Zeit zum Funken haben sie offenbar auch gehabt. Das Meer ist ruhig - also überlassen wir sie sich selbst! Fahren wir weiter!«
»Das Wetter da unten, Wildrake, kommt schnell näher. Hoffentlich geht’s an denen da hinten vorüber. In ihren Booten können sie ihm nicht standhalten.«
Ein Windstoß fuhr über die See, ließ die Wellen schäumen, brachte das U-Boot zum Schlingern.
»Verstehe nicht«, brummte Wildrake vor sich hin, »daß wir noch keine Hilfsschiffe sehen. Es sind doch überall an der Küste leichte brasilianische Streitkräfte stationiert.«
»Ah!« Droste wies nach Südwesten. »Da! Sehen Sie! Da sind sie schon. Scheint eine Zerstörerdivision zu sein. Tauchen!«
In weniger als einer Minute war das Boot verschwunden.
»Die Richtung stimmt!« rief Wildrake. »Halten wir auf Land zu. Minenkette ‘raus! Der rechte Flügel mag noch hinüberkommen. Die anderen müssen die Pillen schlucken!«
Der Sturm nahm an Heftigkeit zu. Schwere Regenböen prasselten. Wildrake ließ das Boot tiefer tauchen, zog das Periskop ein. Er und Droste standen sich gegenüber. Alle Sinne gespannt, lauschten sie.
Plötzlich ein dumpfer Knall! Dann in Folge noch andere. Jetzt dazwischen ein paar gewaltige Detonationen. Munition mußte durch die Minen mit zur Explosion gebracht worden sein.
Längst war der Donner der letzten Explosion verhallt. Langsam ließ Wildrake das Boot steigen, schob das Periskop aus. Doch es war nichts zu erblicken. Der dichte Regen verhinderte jede Aussicht. Ein neuer Hebeldruck brachte das Boot ganz über Wasser.
»Genug für jetzt!« sagte Wildrake. »Bin zwar neugierig, wie viele Treffer es gegeben hat. Aber das werden wir schon erfahren. Die rechten Flügelboote sind gewarnt. Fahren wir weiter!«
*
Bluff! Schwindel! Ausgeburten eines Verrückten! Mit solchen Schlagworten hatten die meisten brasilianischen Zeitungen die Kommentare über Wildrakes »Kriegserklärung« geschlossen. Nur wenige Blätter hielten es der Mühe wert, die Möglichkeiten zu erörtern, wie auch ein einzelner Mensch im Besitz geeigneter Waffen und Geldmittel einem Staate eine Zeitlang schweren Schaden zufügen könne.
Und doch: Je näher die Stunde kam, in der Wildrakes Ultimatum ablief, desto größer wurde die Zahl der Neugierigen, die am Radio hingen.
Die Mittagsstunde war vorüber. Die Spannung begann zu weichen. Nein! Pünktlich schien er nicht zu sein, der »Herr Kriegführende«!
Die gleichen Worte sprach William Hogan zu Tejo, doch der scherzhafte Ton wollte ihm nicht recht gelingen.
»... Und ich habe Sie doch gerade zu dem Zweck hierher zu mir gebeten, Weil bei mir alle etwaigen Nachrichten einlaufen müßten. Je länger ich über das, was Sie mir neulich berichteten, nachgedacht habe, desto mehr neige ich zu der Ansicht, daß wir unangenehme Überraschungen erleben werden. Bedauerlich, daß Ihr Unternehmen mit einem Fehlschlag endete! Hätten Sie sich streng an meine Weisungen gehalten, dann hätten Sie eben persönlich bei dem Überfall anwesend sein müssen.«
»Ich gebe zu, Señor Hogan, es war ein Fehler. In dieser Stunde bereue ich es mehr als je.«
Die Stille, die seinen Worten folgte, wurde durch das Glokkenzeichen eines Funkgerätes unterbrochen. Der Papierstreifen begann zu laufen.
»SOS ... SOS ... SOS ... Schlachtschiff >Sao Leopoldo< vier Grad nördlicher Breite, neununddreißig Grad
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