Unsichtbare Kräfte
westlicher Länge torpediert. SOS ...«
Beide waren aufgesprungen. »Die >Sao Leopoldo<, eines unserer stärksten Schlachtschiffe?«
Der Streifen eines zweiten Apparates begann: »SOS ... SOS ... SOS ... Schlachtkreuzer >Parana< torpediert! SOS ... SOS.«
Ihre Augen gingen von dem einen zum anderen Morsestreifen, innerlich zitternd, daß ein dritter Apparat reden könnte. Der Streifen lief weiter.
»... die Schiffe verloren ... stärkste Schlagseite ... alles in die Rettungsboote ...«
Die beiden Männer starrten sich an. »Ich wußte es«, murmelte Tejo. »Warnte - man sah es als unwürdig an, irgendwelche Sonderanweisungen zu geben.«
»Wir haben’s gebüßt, werden uns danach richten«, entgegnete Hogan. »Unmöglich, daß dieser Wildrake allein ohne irgendwelche starke Hilfe hinter sich das ausführen konnte. Venezuela wird die Zeche bezahlen müssen, so oder so. Wenn ich denke, wie gut sich noch vor Wochen alles anließ! Längst wären wir am Ziel, wenn nicht dieser Wildrake wäre!«
Ein Ticker begann zu arbeiten, schrieb ...
»SOS ... SOS ... SOS ... Siebente Zerstörerdivision ... acht Boote der Division bei Hilfeleistung der >Sao Leopoldo< und >Parana< auf Minen gelaufen ... sinken ... SOS ... SOS ...«
Hogan stand eine Weile überlegend da, die Stirn von tiefen Falten zerfurcht. »Entschuldigen Sie mich, Herr Major! Ich fahre zum Marineamt.«
*
In Manaos war’s, als ob eine Bombe in das Hotel de Primeira gefallen wäre, wo die Unterhändler gerade zusammensaßen. Der Führer der brasilianischen Delegation hob sofort die Sitzung auf und vertagte sie auf unbestimmte Zeit. War doch nicht abzusehen, welche Folgen für den Frieden die Vorgänge dieses Tages haben würden.
In einem harten Kampf mit dem Kriegsminister Revelador hatte Torno gesiegt. Revelador wollte sofort die Verhandlungen abbrechen, den Krieg wiederaufnehmen. Auch der Marineminister Aposta hatte sich dafür entschieden. Da war Torno Hilfe von einer Seite gekommen, von der er sie nicht erwartete. Ein Sekretär William Hogans hatte einen Brief abgegeben, nach dessen Lektüre der Widerstand gegen Tornos Entscheidungen nachließ.
»Selbstverständlich werden wir alle Hebel in Bewegung setzen, um festzustellen, ob und inwieweit die venezolanische Regierung hinter Robert Wildrake steht. Bei dem geringsten Anzeichen dafür würde ich mich sofort Ihrer Meinung anschließen. Doch Venezuela hat nochmals feierlich versichern lassen, daß es nichts mit Robert Wildrake zu tun habe, sein verbrecherisches Handeln aufs stärkste mißbillige und ihn zur Rechenschaft ziehen werde. Auch hat es alle Behörden angewiesen, Wildrake zu verhaften, falls er sich in Venezuela blikken ließe.«
Der Kriegsminister zuckte die Schultern. »Ist mir recht zweifelhaft, ob diese venezolanische Regierung die Macht hat, ihre Befehle durchzusetzen. Man braucht kein Hellseher zu sein, um aus den Berichten der ausländischen Korrespondenten aus Venezuela zwischen den Zeilen herauszulesen, wie stark die allgemeine Stimmung für Wildrake ist. Die Tage dieser Regierung dürften wohl gezählt sein, wenn es nicht gelingt, diesen Freibeuter schnellstens unschädlich zu machen.«
»Hierin stimme ich Ihnen vollkommen bei, Señor Revelador. Doch wir sind gezwungen, vorläufig mit dieser Regierung zu rechnen.«
Am Abend brachten Radiomeldungen die Nachricht, man habe den Obersten Guerrero in Haft genommen. Am nächsten Morgen jedoch wurde dieser Bericht dahingehend richtiggestellt, daß der verhaftete Guerrero von Anhängern befreit worden sei. Hierbei aber blieb verschwiegen, daß die Befreiung auf etwas eigentümliche Weise vor sich ging: Die Soldatenabteilung, die Guerrero bewachen sollte, war mitsamt ihren Offizieren einfach zu dem Gefangenen übergegangen, der sich mit ihnen ins Gebirge zurückgezogen haben sollte. —
In England wiederholte sich das alte Spiel. Wie schon früher, nahm man auch jetzt wieder Wildrake als halben Landsmann in Anspruch. Das Wettfieber wuchs. Man betrachtete die ganze Angelegenheit mehr von der sportlichen Seite. Im Hause James Wildrakes schlugen die Wogen der Begeisterung wohl am höchsten. Die einzige, die ihre Freude nur wenig zeigte, war Edna. Tags zuvor hatte sie einen Brief von Oswald Winterloo bekommen, der ihr Herz hatte höher schlagen lassen.
Wie würde der heute denken, nachdem ihr Bruder seine Drohung gegen Oswalds Vaterland wahrgemacht? Würde er den Brief wohl heute noch einmal schreiben? Der Gedanke trübte ihre Freude. Wieder,
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