Unsichtbare Kräfte
—
»Que ha bife!« fluchte der Lastwagenchauffeur, der seine Ladung in Villa Bella abgeladen hatte und jetzt zurückfahren wollte. »Spürte doch schon bei der Hinfahrt, daß die verfluchte Welle einen Knacks hatte!«
Er wandte sich zu den Soldaten der Wache, die gaffend seinen Wagen umstanden. »Mag einer dem Depot melden, daß der Motor kaputt ist. Ich kann heute nicht mehr zurückkommen!«
»Wird besorgt!« rief eine Stimme zurück, während der Soldat sich langsam entfernte.
»Kommst du mit uns, Kamerad?« fragte einer der anderen.
»Danke dir, mein Junge. Nein! Ich bleibe hier im Freien. Lege mich unter die Plane. Die Nacht ist ja nicht kalt.«
»Wie du willst!«
Der Kommandant des Wachtpostens in Villa Bella ergriff den Telefonhörer, lauschte eine Weile, hängte ihn dann wieder ein, sprach zu einem anderen Offizier: »Ein Munitionstransport wird in einer halben Stunde hier vorbeikommen. Befehl an die Wachen: Strengste Aufmerksamkeit. Der Transportdampfer wird von zwei Torpedobooten eskortiert.«
Der Offizier ging zu einem anderen Fernsprecher, gab den Befehl an die Postenführer seines Kanalabschnitts weiter. —
Ein Torpedoboot vor sich, eins hinter sich, näherte sich die »Stella« in langsamer Fahrt Obidos. Der Kapitän stand auf der Brücke, der Erste und Zweite Wachhabende neben ihm. Unterhalb der Kommandobrücke machten die Posten ihren Rundgang an der Reling entlang.
»Blödsinnige Befehle!« sagte der Erste zum Zweiten Offizier. »Was soll der ganze Unfug? Torpedoboote hinten und vorn - Marinesoldaten an Bord. Bilden die da oben sich etwa ein, Kapitän Wildrake spuke hier? Wäre ja gelacht! Der wird sich hüten. Und wenn er ...«
Der Sprecher hielt inne. Er blickte ins Wasser.
»Was ist das?« Seine Hände umklammerten den Arm des Kameraden.
Eine Kiste - etwa hundert Meter vor ihnen - näherte sich dem Bug des Schiffes mit großer Geschwindigkeit. Noch ehe sie dem schwimmenden Körper ausweichen konnten, erreichte sie den Schiffsrumpf, prallte auf.
Ein kurzer, scharfer Knall - dann ein Schlag, als bräche ein Vulkan aus der Sohle des Flußbettes ...
Der Schrei der drei Offiziere verhallte im krachenden Donner der Explosion. Teile des Flußbettes wurden, mit ungeheuren Wassermassen vermischt, turmhoch in die Luft geschleudert. Dazwischen in tollen Wirbeln Trümmer der »Stella« und ihrer Begleitboote. —
Kaum daß die verderbenbringende Kiste von ihm zur Sprengung gekommen, war Barradas in rasendem Lauf vom Bergrand landeinwärts gestürmt. Schon traf der erste Donner an sein Ohr. Barradas wandte mechanisch den Kopf. Da wirbelte der Luftdruck ihn herum, schleuderte ihn zu Boden. Die Sinne drohten ihm zu schwinden.
Mit aller Kraft raffte er sich hoch, keuchte weiter. Doch kaum hatte er hundert Meter zurückgelegt, da begann die Erde unter ihm zu wanken. Er taumelte, fiel, versuchte vergeblich, sich aufzurichten.
»Gott sei meiner Seele gnädig!« stammelte er.
Da, hinter ihm, neues Grauen: ein Knirschen und Dröhnen, als stürze die Welt zusammen. Der Boden unter ihm geriet in Bewegung, schob sich zurück zu einem klaffenden Spalt, der den Erdboden zerbrach.
Was jetzt folgte: Sturz unendlicher Massen in den Fluß - Weltuntergang, dachte er noch. Und dann nichts mehr.
Der politische Seismograph verzeichnete die Ausläufer des erdbebenartigen Ereignisses auf dem Amazonas in den fernsten Teilen des Erdballs. Diese wichtigste Verkehrsstraße Brasiliens auf lange Zeit gesperrt! Eine vollständige politische und wirtschaftliche Umstellung des Landes unvermeidbar.
In der Regierungsstadt Brasilia Tag und Nacht ein ununterbrochenes Gehen und Kommen. Das Parlament in Permanenz, der Pressechef am Ende seiner Kräfte. Im ganzen Land nur ein Schrei: Wer war der Täter?
Fast immer die Antwort der brasilianischen Superlativredakteure: Robert Wildrake! Wildrake der Venezolaner!
Alle Zeitungen strotzend von wütenden Angriffen auf die Regierung Venezuelas. Eine allgemeine Hetze setzte ein gegen das unglückliche Nachbarland, das, im Kriege besiegt, nur mit Mühe den Frieden innerhalb der eigenen Grenzen aufrechterhalten konnte.
Die Regierung in Caracas machte die verzweifeltsten Anstrengungen, sich von dem Verdacht einer Verbindung mit Wildrake zu befreien. Man wollte ihr nicht glauben. Wenn die Unionsregierung noch zögerte, unter dem Druck der öffentlichen Meinung die Feindseligkeiten wiederaufzunehmen, so war besonders der Umstand daran schuld, daß irgendwelche greifbaren Beweise,
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